Sterntaler mit Bayern-Touch

Tschechiens Eishockeyspieler bezwingen im Weltmeisterschaftsfinale die starken Finnen mit 3:2 in der Verlängerung und stricken weiter an der Legende ihrer fortschreitenden Unbesiegbarkeit

aus Hannover MATTI LIESKE

Zu behaupten, dass die Tschechen das Bayern München des Welteishockey sind, ist keinesfalls übertrieben, auch wenn sie natürlich viel mehr gewonnen haben. Dreimal Weltmeister in Folge, das hat vorher nur die ruhmreiche Sbornaja aus der längst vergessenen UdSSR geschafft oder, in noch länger vergessenen Urzeiten des Eishockeys, Lehrmeister Kanada. Dazu der Olympiasieg 1998 in Nagano, keine Frage, Tschechien beherrscht diesen Sport wie Bayern München die Champions League. Und das mit genau den gleichen Mitteln.

Niemals spektakulär, mit kompakter Defensive, glänzender Organisation, beträchtlicher individueller Geschicklichkeit, gestützt auf überragende Torhüter, schaffen es die tschechischen Puckwerker immer wieder, Gegner in die Schranken zu weisen, die viel brillanter agieren. Mit erstaunlicher Zähigkeit verkraften sie jeden Rückschlag und besitzen die Fähigkeit, genau im richtigen Moment die wichtigen Tore zu erzielen. In Nagano warfen sie nach einem 1:1 die kanadischen Superstars um Wayne Gretzky im Shootout raus, das Finale gewannen sie gegen Russlands Eisflitzer sparsam mit 1:0. Diesmal waren die Shootout-Opfer im Halbfinale die Schweden, die sich nachher partout nicht erklären konnten, wie sie dieses Match verloren hatten, im Endspiel am Sonntagabend waren die Gelackmeierten die Finnen. Vor 10.513 Zuschauern in Hannover schoss David Moravec in der 11. Minute der Verlängerung recht unvermittelt den Siegtreffer zum 3:2. „Die Sterne waren auf unserer Seite“, stoßseufzte Coach Josef Augusta erleichtert. Verbündete, auf die auch die Münchner Bayern hin und wieder zurückgreifen.

Juha Ylönen, überragender Spieler bei den Finnen, versuchte gar nicht erst, die eigene Überlegenheit während eines Großteils der Partie ins Feld zu führen. Der Stürmer von den Phoenix Coyotes weiß um die Stärken der Tschechen und sagte unumwunden: „Sie waren besser und haben verdient gewonnen.“ Erst auf Nachfrage räumte er ein, dass seine Mannschaft viel mehr Torchancen besaß. „Wir hatten das Match in unsere Hand“, sagte Ylönen resigniert. Mit 2:0 führte Finnland hoch verdient vor Beginn des letzten Drittels, ließ sich aber dann vom Schalke-Syndrom packen. Während Tschechiens Coach seine Kräfte bündelte, nur noch mit drei Sturmreihen spielte und den Druck erhöhte, verlegten sich die Finnen zunehmend aufs Verteidigen. Die Strafe waren zwei Gegentore, den Rest besorgte Keeper Milan Hnilicka, der die etwas zu spät aus den NHL-Playoffs ausgeschiedene Puckstopp-Legende Dominik Hasek würdig vertrat. Untröstlich war sein Gegenüber Pasi Nurminen, der zwar kaum eine Abwehrchance beim goldenen Tor von Moravec besaß, sich aber den Puck beim Ausgleich weit gehend selbst in den Kasten beförderte.

„Sie trinken Champagner in der Kabine, ich habe nur Sprite“, sagte ein sichtlich angefressener Hannu Aravirta, während er im Pressekonferenzraum auf den tschechischen Kollegen wartete. 13 Cracks aus der NHL hatte der finnische Coach nach Europa gelockt, um endlich den zweiten Titel nach 1995 zu holen, und kurz vor dem Finale sogar noch Verteidiger Aki-Petteri Berg aus Toronto nachnominiert. Auch wenn sich die Liste der NHL-Klubs, bei denen die zur WM gereisten Cracks der verschiedenen Nationen aktiv sind, eher wie ein „Who’s Nobody“ der nordamerikanischen Liga liest, schien vor 7.000 finnischen Fans in der Arena alles angerichtet für ein rauschendes Suomi-Fest. In beeindruckender Manier waren die Angehörigen von Teams wie Atlanta Thrashers, Minnesota Wild oder Columbus Blue Jackets durch das Turnier gejagt, doch ein Turnier zu dominieren ist eine Sache, es zu gewinnen eine andere – und die beherrscht vor allem Tschechien.

„Beide Teams haben wunderbares Eishockey gezeigt“, schwärmte Josef Augusta, als er schließlich champagnerbeflügelt eingetroffen war, „gut für die Zuschauer“. Zumindest für jene, die organisiertes, taktisch diszipliniertes, defensivbetontes Eishockey dem munteren Hurrastil der Nordamerikaner vorziehen, der bei dieser WM einmal mehr auf der Strecke blieb. Was in der überseeischen Heimat allerdings niemanden kratzt. Da interessiert momentan der Stanley-Cup, der bei vier verbliebenen Teams langsam in die heiße Phase kommt, ansonsten zählt nur das olympische Turnier nächstes Jahr in Salt Lake City, wenn wieder alles dabei sein wird, was Rang und Namen hat im Eishockey. Vermutlich, das ist die schlechte Nachricht für alle, denen ein Ende der tschechischen Dominanz nicht ungelegen käme, auch Dominik „Dominator“ Hasek. Der Keeper der Buffalo Sabres hat gerade entschieden, doch noch eine Saison dranzuhängen.