Eine klare Absage an die ETA

Bei den Wahlen im Baskenland erleidet der politische Arm der ETA, die Euskal Herritarrok, eine Niederlage. Sieger sind die regierenden Nationalisten

aus Madrid REINER WANDLER

Katerstimmung bei den Freunden der ETA. Die Euskal Herritarrok (EH), der der baskischen Separatistenorganisation nahe stehende Flügel, ist der eigentliche Verlierer der Autonomiewahlen vom Sonntag. Auf der EH-Wahlparty in San Sebastián tummelten sich am Sonntagabend mehr Journalisten als Parteigänger. Die wenigen, die gekommen waren, drückten sich mit regungslosen Gesichtern in den Ecken herum und schauten immer wieder auf die Großleinwand. Die Zahl der ausgezählten Stimmen stieg dort minütlich, doch das Ergebnis für Euskal Herritarrok veränderte sich nicht: Das Wahlbündnis hat die Hälfte seiner Abgeordneten verloren. Sieben statt 14 Sitze erlangten die Linksnationalisten. Das ist das schlechteste Ergebnis, das die Radikalen je erhielten und eine klare Absage an die ETA.

80.000 der vor zwei Jahren errungenen 224.000 Stimmen wechselten zur seit 20 Jahren regierenden Baskisch Nationalistischen Partei (PNV) und deren kleinerem Partner, der Baskischen Solidarität (EA). Die Wähler straften die Euskal Herritarrok damit für die Gewalt von ETA ab. Am meisten verloren die radikalen Nationalisten in den Orten, in denen die bewaffnete Separatistengruppe seit dem Ende eines 16-monatigen Waffenstillstandes im Dezember 1999 Attentate verübt hat. „Eine historische Niederlage für die spanische Einheitspolitik“, versuchte EH-Chef Arnaldo Otegi in einer Flucht nach vorn den Zugewinn von PNV/EA und die Stagnation des Ergebnisses für die spanienweit agierenden Parteien für seine Separatistenpolitik umzumünzen. Der Beifall der wenigen Anhänger im Saal fiel spärlich aus.

Madrid ist gescheitert

Der andere große Verlierer ist die konservative Volkspartei (PP). Hier war das Wort des Abends „Enttäuschung“. Egal, wer in der Wahlnacht von der in Madrid regierenden PP im Hotel Villa in Bilbao vor die Mikrofone trat, benutzte es. Das Ergebnis bei den baskischen Autonomiewahlen am Sontag war allzu deutlich ausgefallen: PP-Spitzenkandidat Jaime Mayor Oreja ist gescheitert.

„Der Wechsel ist möglich“, hatte der ehemalige spanische Innenminister noch im Wahlkampf versprochen. Die Umfragen sahen seine PP zusammen mit der sozialistischen PSOE nur wenige Stimmen von der absoluten Mehrheit entfernt. PNV und EA sollten auf die Oppositionsbank geschickt werden. Doch die Wähler wollten es anders. Zwar erhält die PP statt bisher 18 jetzt 19 Parlamentarier, doch die PSOE muss einen ihrer 14 Sitze abgeben. Die gemäßigten Nationalisten unter dem Spitzenkandidaten und bisherigen baskischen Regierungschef Juan José Ibarretxe konnten sechs Sitze zulegen. Künftig werden sie mit 33 statt wie bisher 27 Abgeordneten im Autonomieparlament in Vitória vertreten sein. Das ist das beste Ergebnis der beiden in der Geschichte der baskischen Autonomie. „Die PNV hat gewonnen, es ist an ihr, die Regierung zu bilden“, gestand ein gedrückter Mayor Oreja kurz vor Mitternacht ein.

Mayor Oreja blieb nur ein Grund zu Freude. Er beglückwünschte die Basken zur hohen Wahlbeteiligung. 79,9 Prozent der 1,8 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Das sind knapp zehn Punkte mehr als noch vor drei Jahren. Von ihnen hatten sich PP und PSOE den Sieg erhofft. Galten doch die Nichtwähler bisher als eher dem Zentralstaat zugetan. Das Wahlergebnis belehrte die Analytiker eines Besseren.

Nur in Vitória wurde gefeiert. Hier hatten PNV und EA geladen. Die beiden Parteien waren erstmals mit einer gemeinsamen Liste angetreten. Ein Applaus ging durch die Versammelten, als sich gegen halb zehn Uhr bei 47 Prozent der ausgezählten Stimmen der überraschend hohe Sieg der Nationalisten abzeichnete. Bis zuletzt waren die Anhänger von PNV/EA besorgt. Zwar sprachen sie sich auf den Wahlkampfveranstaltungen von Juan José Ibarretxe mit der Botschaft vom „unumstößlichen Wahlsieg“ immer wieder selbst Mut zu. Doch keiner der PNV-Vertreter hatte wohl wirklich geglaubt, bei denen, die sonst zu Hause bleiben, auf so viel Sympathie zu stoßen.

Vor der Regierungsbildung

„Ein großer politischer Sieg, den wir nun mit Intelligenz und Ruhe angehen müssen“, lautete die Botschaft von Ibarretxe nach der Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses. Er wolle mit allen Parteien reden – „als Person und nicht als Ungeheuer“. Der vor drei Jahren erstmals ins Amt gewählte Ibarretxe spielte damit auf die Wahlkampagne seines Gegners Mayor Oreja an. Die Konservativen und die Sozialisten hatten ihn und die PNV immer wieder als „Komplizen der Terroristen“ hingestellt. Zum Bruch war es gekommen, als die PNV im Sommer 1998 gemeinsam mit 25 weiteren Parteien und Organisation – darunter auch die EH – die Erklärung von Lizarra unterzeichnete. Darin wurde eine politische Lösung für den Konflikt mit der ETA gefordert. Diese nahm die Erklärung zum Anlass einer Waffenruhe, die 16 Monate später wieder aufgekündigt wurde. Die PNV/EA-Regierung, die während des Waffenstillstandes mit den Stimmen der 14 EH-Abgeordneten regiert hatte, geriet in die Minderheit. PP und PSOE erzwangen die vorgezogenen Neuwahlen vom Sonntag.

Auch nach seinem erneuten Sieg ist es für Ibarretxe nicht leicht, eine stabile Regierung zu bilden. Ihm fehlen fünf Sitze zur absoluten Mehrheit im 75-köpfigen Autonomieparlament. Zwar sind 40 Abgeordnete nationalistisch gesinnt, doch hatte Ibarretxe im Wahlkampf versprochen, nicht mit der EH zusammenzugehen, solange die ETA nicht endgültig auf den bewaffneten Kampf verzichtet. Eine solche Entscheidung zeichnet sich nach der Bombe in Madrid vom Freitagabend nicht ab.

Der Blick geht nach links

Bleibt der Blick nach links, zur kommunistischen Vereinigten Linken (IU). Die kleine Partei, die drei statt bisher zwei Sitze erzielte, hatte sich 1998 an der Erklärung von Lizarra beteiligt. Im Wahlkampf jedoch versprach IU-Spitzenkandidat Javier Madrazo, „keiner Regierung beizutreten, die die bestehenden Fronten verstärkt“. Einziger Ausweg aus diesem Dilemma ist eine erneute Annäherung der PNV an die Sozialisten. Vor dem ETA-Waffenstillstand 1998 regierten die beiden Parteien 17 Jahre zusammen das Baskenland. „Was wir brauchen, ist erneut gegenseitiger Respekt, um anschließend Kräfte zu summieren“, empfahl Ibarretxes Vorgänger José Antonio Ardanza in der Wahlnacht. Kein leichtes Unterfangen, denn diejenigen bei den Sozialisten, die einst mit Ardanza regierten, sind geschwächt. Dafür sorgte in den letzten beiden Jahren die ETA. Fernando Buesa, einst Ardanzas Stellvertreter in der PNV/EA/PSOE-Koalitionsregierung, und drei weitere dialogbereite PSOE-Politiker wurden seit dem Ende des Waffenstillstandes Opfer der ETA.