Ihr Vorbild – aus der Not geboren

Die rechten Parteien in Europa haben Silvio Berlusconi auf den Schild gehoben. In der Hoffnung, mit ihm endlich die linke Vorherrschaft zu brechen

Besser als Schröder kann man auf der Klaviatur der Medien gar nicht spielen. Es sei denn, die Medien gehören dir gleich selbst

von RALPH BOLLMANN

Der erste Glückwunsch kam von den Spaniern. Während die europäischen Linksregierungen noch hofften, Silvio Berlusconi werde die Mehrheit in Rom knapp verfehlen, preschte der konservative spanische Außenminister Josep Piqué schon mal vor – und gratulierte dem italienischen Medienzar zu seinem Wahlsieg. Er hoffe, dass es nun eine stabile Regierung in Italien geben werde.

Diese Hoffnung teilen mittlerweile die meisten europäischen Konservativen. Mit seinem gestrigen Wahlsieg ist Berlusconi zu ihrem neuen Star avanciert. Eine solche Leitfigur hatten sie bitter nötig: Durch eine lange Reihe von Wahlniederlagen demoralisiert, in den wichtigsten Ländern auf die Oppositionsbänke verbannt und in Skandale verstrickt, konnte die traditionelle Rechte bei der Suche nach einem Hoffnungsträger nicht mehr wählerisch sein.

In Italien hatte der Niedergang der europäischen Konservativen Anfang der Neunziger begonnen, als die Christdemokraten im Strudel von Korruptionsskandalen untergingen. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren kippten in den vier größten EU-Staaten die Mehrheiten: 1996 kam in Italien zum ersten Mal die Linke an die Regierung, 1997 gewannen Tony Blair und Lionel Jospin die Wahlen in England und Frankreich, 1998 folgte Gerhard Schröder in Deutschland.

Jetzt hoffen die konservativen Parteien, dass von Italien auch das Signal für ihren Wiederaufstieg ausgeht. Dabei hatte die gemäßigte Rechte lange gezögert, Berlusconi als einen der Ihren zu akzeptieren. Dafür, dass der Mailänder hoffähig wurde, haben vor allem zwei Politiker gesorgt: Der spanische Premier José María Aznar, einziger Regierungschef der Rechten in einem großen EU-Land, und der ehemalige deutsche Kanzler Helmut Kohl. Sie setzten die Aufnahme von Berlusconis Forza Italia in die Europäische Volkspartei (EVP) durch.

Auch im Wahlkampf halfen die neuen Verbündeten kräftig nach. Auf dem EVP-Kongress im Januar bekam Berlusconi ein Podium, um sich den heimischen Wählern auch einmal auf internationalem Parkett zu präsentieren. Die Präsidentin des Europaparlaments, die französische Konservative Nicole Fontaine, half dem Italiener auf eine andere Weise: Sie ließ einen Antrag der Justiz, die Immunität des Abgeordneten Berlusconi aufzuheben, einfach liegen. Und einen Tag vor der Wahl riet der Deutsche Wolfgang Schäuble den italienischen Wählern, sie sollten sich von dem Gerede um Berlusconis Interessenkonflikt nicht beirren lassen. Schließlich sei auch die deutsche SPD an Zeitungsverlagen beteiligt, sagte Schäuble dem Mailänder Corriere della Sera.

Seit der Debatte über EU-Sanktionen gegen Österreich im vergangenen Jahr fürchten Europas Konservative, Kampagnen gegen die Regierungsbeteiligung von Rechtspopulisten könnten leicht in Kampagnen gegen die Rechte insgesamt ausarten. Damit droht ihre endgültige Marginalisierung, nachdem Blair und Schröder bereits die politische Mitte erfolgreich besetzt haben. Für die Konservativen wird es immer schwieriger, sich mit seriöser Programmatik von der Sozialdemokratie neuen Typs abzugrenzen.

In dieser Lage erscheint das Phänomen Berlusconi als die konservative Antwort auf die medialen Inszenierungen eines Gerhard Schröder oder Tony Blair. Besser als Schröder kann man auf der Klaviatur der Medien gar nicht spielen. Übertrumpfen lässt sich das nur, wenn man die Zeitungen und Fernsehsender gleich selbst besitzt.

Am weitesten wagte sich gestern die bayerische CSU nach vorne. Berlusconis Wahlerfolg sei nach dem Sieg des Amerikaners George Bush „ein weiteres ermutigendes Signal für das bürgerliche Lager in der EU“, freute sich Michael Glos, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag: „Der europäischen Linken wird der Wahlausgang nicht schmecken.“

Vorerst ist das italienische Wahlergebnis allerdings nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer für Europas Konservative. Zwar wird in vier Wochen in Großbritannien und Nordirland gewählt, nächstes Jahr in Frankreich und Deutschland. Doch nirgendwo ist ein politischer Richtungswechsel zu erwarten – die Rechte kann allenfalls erwarten, in Frankreich auch noch den Präsidentensessel zu verlieren.

Immerhin können sich die Konservativen darüber freuen, dass die ausländerfeindliche Lega Nord bei den italienischen Wahlen stark zurechtgestutzt wurde: Das verringert ihr Gewicht in der italienischen Regierung – und erleichtert es damit Berlusconi, in Europa hoffähig zu werden.

Das gleiche Schicksal wie die Lega hat allerdings die konservativen Parteien alten Stils ereilt: Sie spielen in Italien kaum noch eine Rolle. Ob sich die europäischen Konservativen mit der Unterstützung Berlusconis einen Gefallen getan haben, gilt unter Beobachtern noch nicht als ausgemacht. „Sie setzen auf ein gefährliches Pferd“, sagt der Publizist Angelo Bolaffi (siehe Interview). Und wenn Berlusconi erneut über die Profilierungszwänge dieser Klein- und Kleinstparteien stürzt – auch dann könnte es mit der Freude über den neuen Hoffnungsträger schon bald wieder vorbei sein.