Schule darf schön sein

■ Waldorf-Schule Sebaldsbrück feiert ihren 3. Bauabschnitt: Das privat finanzierte, ökologisch vorbildliche Gebäude blamiert die staatliche Schuhkarton-Denkweise

Wer in dem neuen Eurythmie-Saal der neuen Waldorfschule Sebaldsbrück steht , der kann nur neidisch werden: ein hoher, heller Raum, durch die Holz-Kuppeldecke optisch zentriert, gleichzeitig nach drei Seiten mit großen Fenstern offen. In dem Raum kann man sich wohlfühlen, egal ob man ihn sich als Büro vorstellt mit ein paar Schreibtischen oder als großen Wohnraum. Für die anthroposophische Pädagogik ist die „Eurythmie“, wie Rudolf Steiner sie schrieb, ein Kernstück der Erziehung, die Körper und Seele und den Geist zusammendenkt, Bewegungs-Kultur nach Sprache und Musik.

„Körper, Geist und Seele sind für uns gleich wichtig“, erklärt Heide-Marie Fette, die Geschäftsführerin des Waldorf-Vereins. Nur ein Klavier steht in dem Eurythmie-Saal, die Wände des gerade fertig gewordenen Bauwerkes werden im Sommer farbig lasiert. Der Musikraum ist ein ähnliches Kleinod, die gebrochene Holzdecke verhilft ihm zu einer guten Akus-tik, ein Flügel steht da, Trommeln, ein Regal mit Noten und Fachbüchern an der Wand. Wahrscheinlich hat mancher Schüler, verglichen mit diesen Räumen, kein so schön gestaltetes Zuhause.

Die normalen, neuen Klassenräume, die im dritten Bauabschnitt für die Waldorf-Schule Sebaldsbrück heute eingeweiht werden, sind nicht ganz so üppig, aber dennoch kaum zu vergleichen mit üblichen Schulräumen. Jede Altersstufe hat in der Waldorfschule ihre spezifische Farbe an den Wänden, ihre spezifische Form des Raumes. Dass es keinen rechten Winkel gibt, ist nur eine negative Beschreibung. Durch seine Form und Farbgestaltung gibt jeder Raum ein anderes Gehäuse für die Klasse ab. Alle Räume werden mit Pflanzenfarben lasiert.

Für 2,7 Millionen Mark haben die Architekten Frank Sieber und Stefanie Dörnte nicht nur über 1.000 Quadratmeter klassischer Waldorf-Architektur gebaut, sondern das auch nach den modernsten ökologischen Maßstäben. Diese Schulräume sind in der sogenannten „Passivbauweise“ gebaut: Sie brauchen praktisch keine Heizung. Dicke Wände und Dreifach-Glas isolieren das Haus, die Zimmer gehen nach Süden und fangen so das Sonnenlicht ein. „Erdkernsonden“ in 50 Meter Tiefe liefern im Sommer angenehme Kühle durch Wärmetauscher. „In dieser Schule gibt es kein Hitzefrei“, verspricht der Architekt. Und im Winter ist es in der Tiefe immerhin noch acht Grad warm. Auf die Zimmertemperatur wird die Luft durch die Wärmetauscher ökologisch aufgewärmt, die die Wärme aus der Abluft herausziehen.

Immerhin „heizt“ jeder Mensch wie eine Glühbirne von 60 Watt mit, wenn die frische Luft über die Lüftungsanlage kommt. Sonnenkollektoren auf dem Dach versorgen die Schulräume mit Strom, die Toiletten werden mit Regenwasser gespült. Das moderne Energiesystem, das mit finanzieller Unterstützung der Stiftung „Bremer Energiekonsens“ realisiert wurde, ist so angelegt, dass die Schüler die Messtechnik selbst kontrollieren können. In der Oberstufe soll ein „Wahlpflichtfach Haustechnik“ lehren, die Verantwortung für den eigenen Energiekreislauf zu übernehmen.

Wenn in dieser Woche der dritte Bauabschnitt eingeweiht wird, ist in der Schule selbst der Gegensatz zu der Schuhkarton-Technik zu besichtigen, die der Staat den Schülern zumutet. Die ersten Räume mietete die neue Waldorf-Schule an der Parseval-Straße von einem staatlichen Schulgebäude. „Die Fenster müssten erneuert werden, wir heizen da die Straße“, klagt Geschäftsführerin Fette. Aber die Stadt hat kein Geld fürs Energiesparen. Natürlich hatte der Staat auch kein Geld für den dritten Bauabschnitt der Waldorf-Schule. Eine Stuttgarter Software-AG spendierte eine Million Mark, immerhin 600.000 Mark kamen als Elterndarlehen zusammen. Auch das trägt dazu bei, dass Eltern wie Schüler dieses Gebäude nicht als fremde Anstalt behandeln, sondern als „eigene“, eben „Freie Waldorfschule“.

P.S. – eine persönliche Nachbemerkung: Nach meinem Besuch der neuen Waldorf-Schule musste ich meinen Sohn von seiner Schule abholen. Bei der Einschulung im September 2000 waren auf der ganzen Front der Schuhkarton-Klassenräume Fensterscheiben eingeschlagen und notdürftig verklebt. Bis heute wurde kein Fenster repariert. Der Bau ist in dem üblichen renovierungsbedürftigen Zustand. Wahrscheinlich glauben diejenigen, die solche Bau-Zustände zu verantworten haben, dass Rudolf Steiner übertreibt mit seiner Betonung der seelischen Erziehung der Kinder. K.W.

Aus dem Eröffnungsprogramm : Mittwoch, 20 Uhr, Schüler-Theater in englischer Sprache, Donnerstag, 19 Uhr, Besichtigung, 20 Uhr, Vortrag „Menschen bilden“, Freitag, 18 Uhr, mit „Festakt“ und Schulball