Berlusconi krempelt die Ärmel hoch

Nach seinem Sieg kündigt der gewählte italienische Ministerpräsident die Abschaffung der Erbschaftssteuer und die Rücknahme der Schulreform an

ROM taz ■ Nicht im Fernsehstudio der RAI, sondern aus seiner herrschaftlichen Villa bei Mailand absolvierte Silvio Berlusconi am Montagabend seinen ersten Auftritt nach dem klaren Wahlsieg. Mit seinem Amtsantritt sei die Zeit des ewigen Redens vorbei, erklärte er, jetzt gehe es ans Handeln – und verbal krempelte Berlusconi die Ärmel auch gleich hoch. Als Erstes möchte er den Gesetzentwurf zur kompletten Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer durchpauken und die erst vor einigen Monaten von Mitte-Links verabschiedete Schulreform (sie sah die Zusammenlegung der Grund- und Mittelschulen zu einer „Basisschule“ sowie die Streichung eines Schuljahrs vor) kassieren.

Als dritte Amtshandlung, verkündete Berlusconi, werde er sofort überall den Stadtteilpolizisten einführen; schließlich hatte sein „Haus der Freiheiten“ trotz sinkender Kriminalitätszahlen mit einer Law-and-Order-Kampagne Wahlkampf getrieben. Eine kräftige Prise neoliberaler Wirtschafts- und Sozialpolitik für das Millionenheer der Unternehmer und der Selbstständigen, ein ordentlicher Schuss katholische Moral für die Konservativen, dazu die freihändige Bedienung populistischer Stimmungen auf den Feldern Einwanderungspolitik und innere Sicherheit: Dieser Mix steht hinter Berlusconis Erfolg.

Bei der Umsetzung seiner Versprechungen könnte er jedoch Schwierigkeiten bekommen. So sind die hohen Zugewinne seiner Partei im Süden wohl vor allem der Ankündigung großer staatlicher Infrastrukturprojekte zu verdanken. Wie die allerdings bei drastisch sinkenden Steuern zu finanzieren sind, bleibt offen.

Unklar bleibt auch, wie Berlusconi mit dem Klientelstaat im Süden aufräumen will, nachdem sein „Haus der Freiheiten“ auf Sizilien mithilfe des klassischen Klientelismus ausnahmslos alle 61 Direktmandate einfuhr: Vor den Wahlen paukte das Regionalparlament eine Regelung durch, die den Regionalbeamten eine Verrentung bei 110 Prozent der letzten Bezüge schon mit 40 Jahren ermöglicht; zugleich durften sich hunderttausende über die Legalisierung ihrer schwarz gebauten Häuser freuen.

Dank seiner komfortablen Mehrheit muss Berlusconi diesmal aber nicht fürchten, wie 1994 schon nach wenigen Monaten zu scheitern. In der Kammer verfügt der Rechtsblock über 368 der 630 Sitze, im Senat über 177 von 315 Mandaten. Die deutlich dezimierte Lega Nord – sie erreichte nur 3,9 Prozent – kann Berlusconi kaum gefährlich werden.

Ganz und gar nicht zu Selbstkritik geneigt ist der geschlagene Spitzenkandidat des Linksbündnisses, Francesco Rutelli. Er verwies auf seiner ersten Pressekonferenz am Montagabend darauf, dass die von ihm angeführte Mitte-Liste der „Margerite“ mit knapp 15 Prozent erstaunlich gut abgeschnitten hat, und er reklamierte für sich, den befürchteten Erdrutschsieg Berlusconis verhindert zu haben. Die großen Verlierer sind auf der Linken zu suchen. Die Linksdemokraten erreichten mit 16,6 Prozent (1996: 21,1 Prozent) ihren absoluten historischen Tiefststand, auch andere Linksparteien konnten nicht zulegen. Insgesamt wählt nur noch ein Viertel der Italiener links: 5 Prozent gingen an die Kommunisten, weitere 1,6 Prozent an die Minderheitskommunisten, die 1998 in der Regierungskoalition verblieben waren, und mit 2 Prozent musste sich das Wahlbündnis aus Grünen und Sozialisten bescheiden. Über der Regierungsverantwortung, über Sanierungspolitik und Eintritt in den Euro haben die Linksdemokraten vor allem eines eingebüßt: ihr linkes Profil. Sie mussten erfahren, dass es der Partei nichts bringt, wenn sie sich zum Beispiel als Herold neuer Flexibilität profiliert und dabei ihrer gewerkschaftlichen Basis auf die Füße tritt, ohne auf der Rechten Punkte zu machen.

MICHAEL BRAUN