„Man muss alles aufklären“

Die ehemalige Schwimmerin Karen König über ihre Beweggründe, das wiedervereinigte Nationale Olympische Komitee auf Schadenersatz wegen des Zwangsdopings in der DDR zu verklagen

Interview PETER UNFRIED

taz: Frau König, Sie wollen das Nationale Olympische Komitee auf Schadenersatz für in der DDR erlittene Dopingschäden verklagen.

Karen König: Ja.

Und ziehen damit den schönen DDR-Sport ein weiteres Mal in den Schmutz?

Im Gegenteil. Ich versuche, den Schmutz wegzuwischen. Dass es Schmutz, dass es Doping in der DDR gab, ist aktenkundig. Aber es gibt noch mehr Schmutz, den man offen legen muss.

Das mögen viele gerade im Osten nicht.

Ich weiß schon, dass wir als Verräterinnen beschimpft werden und dass andere das lieber verdrängen. Ich sehe es als meine Aufgabe an, gegen die Verdrängung anzukämpfen.

Da stehen Sie eher allein.

Ich verstehe nicht, warum die Leute im Schweigen verschwunden sind – obwohl sie wissen ,was man mit ihnen gemacht hat. Vielleicht weil sie einfach nichts mehr damit zu tun haben wollen. Oder sich weiterhin vormachen, dass sie bravouröse Sportler und Goldmedaillengewinner waren.

Worum geht es Ihnen?

Alles muss aufgeklärt werden. Ich sehe das als Fortsetzung der Dopingprozesse, die an einem Limit angekommen waren. Die nächsthöhere Ebene ist das NOK.

Um Geld geht es nicht?

Es geht darum, dass Dopingschäden abgegolten werden und dass vor allem Gelder zur Verfügung gestellt werden, um diese Schäden mit ärztlichen Mitteln behandeln zu können. Das fängt bei besonderen Schuhen an und hört bei Operationen nicht auf.

Sie klagen allein.

Wir hatten unter uns Nebenklägern im Laufe der Prozesse darüber geredet ... Doch dann lebt eben jeder sein eigenes Leben. Aber andere Dopingopfer sind aufgerufen sich anzuschließen.

Welche Schäden haben Sie?

Es gibt Schäden, die ich schon habe und nie wieder loswerde, zum Beispiel meine tiefe Stimme. Auf der anderen Seite drohen Langzeitschäden, die jederzeit auftreten können: Leberschäden, Schäden im Unterleib, Schäden im Zusammenhang mit künftigen Geburten.

NOK-Präsident Walther Tröger sagt bisher, das wiedervereinigte NOK sei „kein Rechtsnachfolger“ des DDR-NOK.

Als Präsident des vereinigten NOK ist Tröger der Nachfolger des DDR-NOK-Chefs Manfred Ewald. Der war hauptverantwortlich für das DDR-Doping. Tröger hat das Vermögen des DDR-NOK übernommen: 5,4 Millionen heißt es immer. Er ist schon allein moralisch verpflichtet, auch für die Hypotheken des Erbes aufzukommen. Das sind die Schäden, die das DDR-NOK verursacht hat.

Inwiefern ist das DDR-NOK verantwortlich?

Das DDR-NOK hat eine internationale Charta unterschrieben, in der es sich zu einem fairen olympischen Sport ohne Dopingmittel verpflichtet hat.

Das Dopingopfer Roland Schmidt ist gescheitert beim Versuch, die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger der DDR haftbar zu machen.

Wenn man eine Sache anfängt, muss man sie auch zu Ende führen. Und dazu gehören alle Instanzen. Und alle, die da beteiligt waren. Man muss das System als Ganzes aufdecken. Es sind eben nicht nur Trainer und Ärzte gewesen, sondern die Funktionäre. Dazu gehört das NOK. Und Jenapharm.

Der Staatspharmaziekonzern?

Ja. Wir haben als pharmazeutische Versuchsobjekte hergehalten. Ohne unser Wissen – und ohne Wissen der Eltern. Wir waren minderjährig. Das war illegale Geschäftemacherei auf Kosten der Gesundheit von nichts ahnenden Kindern. Deshalb gab es keine Verpackung. Die Dopingtabletten waren nur in Alu eingewickelt. Wir wussten das ja erst im Nachhinein, dass das von Jenapharm war.

Jenapharm gibt es nicht mehr.

Es gibt die Schering-AG, die Jenapharm übernommen hat.

Frau König, NOK-Chef Tröger hat immerhin mitgeteilt, er sei „bereit zu helfen, aber nur in Verantwortung mit dem DSB und der Bundesregierung“.

Das ist wieder mal eine schöne Phrase wie so viele. Das heißt nicht ja und nicht nein. Aber es kommt nichts. Nein, nein, das muss man gerichtlich klären.