Tausche Schulden gegen Schulden

Argentiniens Wirtschaftsminister Cavallo will das Land vor der Zahlungsunfähigkeit retten, indem er die Schuldenzahlungen schlicht auf später verschiebt. Den Gläubigern winkt das Geschäft des Jahres. Ökonomen bewerten den Plan unterschiedlich

aus Buenos Aires INGO MALCHER

Wie die Ansage der Temperaturen der wichtigsten Städte des Landes gehört derzeit in Argentinien die Nachricht über den Pegelstand des Länderrisikos zu jeder Nachrichtensendung. Seit Mitte April liegt es beharrlich bei 1.000 Punkten. Dies bereitet Wirtschaftsminister Domingo Cavallo Kopfschmerzen, denn 1.000 Punkte Länderrisiko bedeutet, dass die Zinsrate für argentinische Bonds zehn Prozent über den US-Schatztiteln liegt. Zu hoch für den von Argentinien geplanten Schuldentausch.

Aber eine andere Wahl wird Cavallo kaum haben. Argentinien ist pleite und steht am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Allein die Regierung in Buenos Aires hat Schulden in Höhe von 128 Milliarden. Und bis 2005 werden unterschiedliche Anleihen in Höhe von 54 Milliarden Dollar fällig. Deshalb will Cavallo Titel, die in den kommenden fünf Jahren ablaufen, in Papiere mit längerer Laufzeit von bis zu 30 Jahren umwandeln. Damit wäre die Zahlungsunfähigkeit vorerst aus der Welt geschaffen, würde aber als Hypothek den nachfolgenden Regierungen hinterlassen.

Wie verschiedene Investoren in Buenos Aires schätzen, wird Cavallo versuchen, Schuldtitel in Höhe von 20 Milliarden Dollar umzuwandeln. Dazu hat er sieben Banken bestimmt, die die Operation managen. Für die Gläubiger ist der argentinische Schuldentausch, auch „Swap“ genannt, das Geschäft des Jahrzehnts. Die Kommission von 0,55 Prozent, die den Banken bezahlt wird und die damit 110 Millionen Dollar hoch sein könnte, ist dabei nur ein Teil der Medaille. Viel wichtiger für die Banken ist, dass ihr Portfoliowert steigt. Denn ein Schuldentausch ist für Argentinien nur gegen höhere Zinsraten zu haben, als sie auf die auslaufenden Titel bezahlt werden.

Nach dem Schuldentausch wird das Geschäft erst richtig interessant. So können die Banken die Titel auf den Schuldengebrauchtmarkt werfen, wo viele hungrige Investoren nur darauf warten. Denkbar wäre zum Beispiel, günstig Schuldtitel zu kaufen und sie später gegen das Recht einzutauschen, die Gasvorräte Patagoniens auszubeuten.

Ob der Tausch das richtige Mittel ist, das Land aus der Krise zu führen, ist unter den Ökonomen umstritten. Auf der Regierungsseite stehen dabei diejenigen, die in der Finanzkrise vor allem ein Liquiditätsproblem sehen. Ihr Argument: Mit dem Schuldentausch werde der Regierung eine Atempause gegönnt, um die Wirtschaft zu reaktivieren. Der Ökonom Manuel Solanet von dem Think-Tank FIEL etwa ist der Ansicht, dass der Schuldentausch die Situation in Argentinien entspannen würde. Auch wenn die Zinsen derzeit hoch und Schulden somit teuer seien, die Umwandlung der Schulden müsse jetzt sofort geschehen, weil dies die „einzige Möglichkeit ist, damit das Länderrisiko sinkt“.

Die Gegenseite ist der Ansicht, dass das Geld zur Zahlung der Schuld schlichtweg nicht vorhanden und damit nicht nur ein Liquiditätsproblem sei. Daher müsse Cavallo mit den Banken über die Schulden verhandeln. Zwar werde mit einem Swap Zeit gewonnen, aber durch ihn komme kein frisches Geld ins Land, und damit gäbe es auch keine Möglichkeit für die Reaktivierung der Wirtschaft. Argentinien müsste sich letzlich doch als zahlungsunfähig erklären.

Ein ähnlich düsteres Panorama muss die Rating Agentur Standard & Poor’s vor Augen gehabt haben, als sie den Status der argentinischen Schuld nach unten korrigierte, von B+ auf B. In Worten bedeutet dies: Argentinien wird in den Augen der Agentur von einem verwundbaren Land zu einem Land mit ungünstigem Klima für Geschäfte. Damit liegt Argentinien in derselben Sparte wie Venezuela und sogar unter Brasilien, Kolumbien oder Mexiko. An der Börse in Buenos Aires machten manche Analysten die Spekulationsgelüste einiger Investoren für die hohen Zinssätze verantwortlich. Die hohen Zinssätze vor dem bevorstehenden Schuldentausch sind kein Zufall, meinen sie.