Arbeiterkampftrinktag

■ Das Mai-Massenbesäufnis auf dem Osterdeich macht Beiräten Kopfzerbrechen

Handy-Displays sind klein. Deshalb kommt man mit Kurzmitteilungen schnell auf den Punkt. H – E – U – T – E – S – A – U – F – E – N – O – S – T – E – R – D – E – I – C – H – so oder so ähnlich muss in Bremen und umzu am 30. April mancher Jugendliche auf den Punkt gekommen sein. Abends jedenfalls versammelten sich zahllose Jugendcliquen vor dem Bürgerhaus Weserterrassen und zogen – mit Schnapsflaschen bewaffnet – auf die Osterdeichwiese. Eigentlich dasselbe wie in den vergangenen Jahren – aber waren es im vergangenen Jahr noch um die 2.000 Kids, liegen die Schätzungen in diesem Jahr um die 5.000.

Der Tag ging, der Schnaps kam. Schon um halb elf hieß es für viele: Flasche leer, Birne voll. Mancher sackte einfach zusammen – auch in Scherbenhaufen. „Da haben wir schon die ersten Schnapsleichen rausgezogen“, berichtet Jochen Killing vom Krankenhaus St.-Jürgen-Straße, der mit acht weiteren Freiwilligen die Menge durchkämmt hat. Kein leichter Job im Stockdunkeln. „Wer noch den rechten Arm heben konnte, durfte liegen bleiben“, sagt Killing. Die anderen wurden von Arbeiter Samariter Bund (ASB) und Stadtrettungsdienst abtransportiert. Der ASB hat 30 „Versorgungsfälle“ registriert. Einsatzleiter Dirk Plümer berichtet, dass die Jugendlichen immer jünger werden. „In diesem Jahr waren besoffene 14- bis 15-Jährige Standard.“ Außerdem würden sie immer aggressiver. In diesem Jahr kam es zu mehreren Schlägereien, bei denen die Polizei eingreifen musste. Sogar die ASB-Helfer mussten Schläge einstecken.

Für Killing, Vertreter der Grünen im Beirat östliche Vorstadt, ist es ein Wunder, dass es nicht zu schweren Verletzungen gekommen ist, obwohl viele betrunkene Kids auf den Osterdeich getorkelt sind. Nur freiwillige Helfer hätten verhindert, dass sie von rasenden Autos überfahren wurden. „Das kann doch nicht wahr sein“, ärgert sich Killing, „bei jeder Krötenwanderung holen wir die GSG 9, aber wenn unsere Kinder über die Straße torkeln, guckt die ganze Stadt weg.“ Damit das im nächsten Jahr nicht wieder passiert, hat er im Beirat eine Initiative für ein Alternativ-programm gestartet. Der „dubiosen“ Feier soll im nächsten Jahr eine „kulturelle, beleuchtete, gesicherte und mit WC-Wagen versehene Struktur“ verliehen werden – zum Beispiel durch Parteien, Gewerkschaften und Radio Bremen. Allerdings verlief eine ähnliche Idee bereits im vergangenen Jahr im Sande: Niemand wollte das Veranstalter-Risiko auf sich nehmen. Nicht einmal die Beleuchtung des Osterdeichs war finanzierbar.

Die SPD-Ortsvereinsvorsitzende Marlies Tietze ist auch nicht überzeugt, dass das die Lösung wäre. „Für die Kids ist doch gerade das Unorganisierte so attraktiv“, vermutet sie. Die würden dann in den nächsten unbeleuchteten Winkel weiterziehen. Energisch bestreitet sie, das von ihr organiserte traditionelle SPD-Maizelt könnte der Magnet für die spontanen Feiern sein, wie ihr manchmal vorgeworfen wird. Im Gegenteil sehen sich die Genossen als Opfer der Versammlung: Obwohl sie einen Reinigungsdienst bestellt hatten, musste ihr Kinderfest am 1. Mai ausfallen – das Scherbenmeer war bis zum Mittag nicht zu beseitigen. Vieleicht hilft doch nur das so genannte „Cloppenburger Modell“: Dort schreckt die Stadtverwaltung feierlustige Jugendliche einfach mit einer Ladung aus dem Güllewagen ab. jank