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: Trinkfest auf Venedig-Tour

Leberpiercing in Italy

Hei, wie schön war es in Venedig! Dort hat’s, wie manche doofen Süddeutschen sagen, so viele Kirchen wie Himmelratten, noch mehr AmerikanerInnen und nur einen einzigen Junkie. Der lief in Form eines jungen, freundlichen Mannes in Trance über den Markusplatz, und mein menschenkenntnisreicher Reisebegleiter suchte ihn sich prompt aus, um die peinlichste Frage der Welt zu stellen: „Würdest du mal ein Foto von uns machen?“

Dann gab er ihm die billigste aller Einwegkameras, und, was soll ich sagen, die wollte sogar der Junkie nicht klauen und händigte sie uns nach dem Schnappschuss wieder aus. Auf das Foto bin ich gespannt (der Junkie bekam nur ein Auge auf, suchte aber mit dem anderen im Sucher). Wenn’s schön ist, druck ich’s ab. Eigentlich wollte ich jedoch von dem Lebertest erzählen, den vornehmen zu lassen sich ängstliche TrinkerInnen wie ich alle paar Jahre bemüßigt fühlen: Man geht zum Arzt, den man schon ewig kennt (und den man aus Angst vor Hypochonderei-Vorwürfen nur aufsucht, wenn man schon anfängt, zu verwesen), und muss Fragen beantworten wie: „Trinken Sie denn wirklich so viel? Täglich? Wann haben Sie das letzte Mal eine Woche lang nichts getrunken?“ – „Als die Beatles die letzte Number One hatten ...“ – „Free as a bird oder Let it be?“ Ha, gotcha!)

Das Ergebnis des Tests erreichte mich erst in Venedig. Herzklopfend rief ich an, um die erlösende Nachricht zu bekommen: Alles prima! Weitersaufen! Allerdings, so kippte der Arzt eine ganze Flasche Wermut hinterher, wenn die Leber richtig kaputt und fett ist, wirken die Werte ebenfalls normal ... Nur weg mit dieser Info, schnell einen „Spritz“ bestellt, (Prosecco mit Aperol), es ist schließlich 11 Uhr und das Frühstück schon 20 Minuten her.

Herrlich kann der Urlaub in Italien sein, wenn man gesund und jung ist und das Buch „Out of the century“ von Peggy Guggenheim dabei hat, der Dame, die auch in Venedig ein Haus besaß, neben Häusern in Frankreich, den USA und einigen Trilliarden Devisen. Von ihrem Leben als Kunstsammlerin, Mäzenin und Gourmet aus einer Zeit, als man noch nicht mal wusste, wie man „Leberwerte“ ausspricht, erzählt Peggy: „Wir tranken jeden Tag zum Mittagessen so viel Wein, dass wir danach ein paar Stunden auf bequemen Liegestühlen im sonnigen Garten ruhen mussten, selbst wenn es Wein von einem lokalen Anbauer war.“ Oder über ihren Exmann, irgendeinen tollkühnen Künstler: „Er schlug mich so sehr, dass ich wieder nüchtern wurde.“ Ansonsten findet sie ständig Korsetts und Hüfthalter im Ehebett (wir haben die 20er) und hat es insofern einfacher, ihrem Mann den Ehebruch nachzuweisen, als man heute mit etwas Glück höchstens mal den Verschluss eines Leberpiercingschmuckstücks im Staubsaugerbeutel ausmachen kann.

Die arme Peggy Guggenheim. Auf ihren Spuren wandelte ich beschwipst durch die Kirchenstadt, schaute mir die Ecke im wunderbaren, mit Kunst voll gepfropften Garten ihres wunderbaren, mit Kunst voll gepfopften Hauses an, in dem die Peggy-Bones zusammen mit den Überresten von 23 Chihuahua- oder was weiß ich Hündchen liegen: Eine Tafel mit 23 Namen (Kleopatra, Baby Ruth, Sweetiepie etc.) erinnert an „My beloved Babies“, und lustig war, dass eine Menge Touristen sich beeindruckt fragten, warum die arme, reiche Dame wohl so unglaublich viele Kinder verloren hat (abgetrieben? in Italien? und dann begraben? Buah!). Ich habe sie nicht aufgeklärt. Man muss ja nicht immer alles besser wissen. JENNI ZYLKA