Gewinn beim Armenlotto

Die Bundesregierung plant einen Glücksspielzuschuss für alle Arbeitslosen

Auch unsere Demokratie gewinnt durch die Einführung des neuen Lottospiels für Arme

Erstmals hat sich diese Woche eine Expertengruppe des Bundesarbeitsministeriums mit dem so genannten Lottodefizit bedürftiger Mitbürger befasst. Die abschließende Empfehlung der Fachleute an die Bundesregierung wurde am gestrigen Donnerstag bekannt. Danach sollen künftig alle Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung einen wöchentlichen Lottokostenzuschuss in Höhe von 20 Mark erhalten.

Dieses Geld darf ausschließlich für das Lotteriespiel verwendet werden. Die bezuschussten Spielscheine werden mit dem markanten Arbeitsamts-A als so genannte Armenlottoscheine gekennzeichnet. Sie können ab nächsten Montag bei den örtlichen Arbeitsämtern beantragt und ab 1. Juni in jeder Lotto-Annahmestelle eingelöst werden. Gewinnt ein solcher Armenlottoschein, wandert die Gewinnsumme vollständig in die Kassen der Arbeitslosenversicherung. Der Besitzer des A-Scheins nimmt dafür ersatzweise an einer Sonderverlosung teil, bei der er, wie Bundesarbeitsminister Walter Riester auf einer Pressekonferenz gestern ausführte, neben Kleinstpreisen wie etwa einer neuen Klarsichthülle für den Arbeitslosenausweis oder einem Essensgutschein für die Arbeitsamt-Kantine mit etwas Glück auch den Hauptpreis, einen Gebrauchtwagen, gewinnen könne.

Riester betonte, dass man mit der Einführung des Armenlottos drei Fliegen mit einer Klappe schlage. Zum einen würden so die Arbeitslosen wieder ins Lottogeschehen der Gesellschaft mit einbezogen. Zum anderen könne man schon mit einigen Sechsern plus Zusatzzahl und vielleicht drei, vier dicken Jackpots der Arbeitslosenversicherung recht ordentliche Gewinnsummen zuführen. Darüber hinaus trüge man mit der Verlosung von Gebrauchtwagen an die arbeitslosen Lottogewinner entscheidend mit zu deren Mobilität bei, die ja heutzutage bekanntlich die halbe Miete beziehungsweise Arbeitsstelle sei.

Mit der Einführung des Armenlottos wird dem in der Verfassung verankerten Grundrecht auf Lotto entsprochen, danach jedermann einen Anspruch auf die Teilnahme an den wöchentlichen Gewinnspielen hat. Sozial Schwache, Arbeitslose, Kinderreiche und Menschen mit niedrigen Einkommen dürfen nicht von den Gewinnchancen ausgeschlossen werden, die die Glücksspirale, Fußballtoto oder ein Los der Süddeutschen Klassenlotterie bieten.

Tatsächlich können immer mehr Deutsche aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht mehr an solchen Lotterien partizipieren. Abgesehen von der Gewinnchancenungleichheit, der sie damit unterliegen, erfahren sie so armutsbedingt eine weitere gesellschaftliche Isolierung. Um nur ein Beipiel zu nennen: Die Lotto-Annahmestelle als ein Zentrum nachbarschaftlicher Kommunikation und zwischenmenschlicher Begegnung. Wer sich keinen Lottoschein leisten kann, bleibt da außen vor.

Selbst die wöchentliche Fernsehziehung der Lottozahlen erleben Menschen ohne Lottoschein keineswegs als ein spannendes, den Alltag bereicherndes Ereignis, sondern als ein bloß sinnloses Durcheinanderkullern von nummerierten Bällen. All die positiven Glücksspielhormone, die Lottoscheininhaber während einer Ziehung erzeugen, bleiben bei ihnen vollends unausgeschüttet. Das führt auf Dauer zu einem gefährlichen Hormonstau, nicht selten sogar zu den gefürchteten Hormonverstopfungen, die dann die üblichen lebensgefährlichen Amokläufe auslösen.

Doch auch unserer Demokratie droht Schaden. Wer nämlich dauerhaft vom Lottospielen ausgeschlossen wird, verliert zwangsläufig die Übung und Routine im Kreuzchenmachen und damit allmählich das Vertrauen, dass ein Kreuzchen, an die richtige Stelle gesetzt, durchaus etwas bewirken kann. Wahlforscher meinen darin sogar einen wichtigen Grund für die um sich greifende Wahlverdrossenheit hierzulande zu erkennen.

Die CDU-Opposition zeigte sich von der bevorstehenden Einführung eines Lottospiels für Arbeitslose völlig überrascht. Allein Fraktionschef Friedrich Merz wunderte sich, warum denn statt der Gebrauchtwagen nicht gleich Arbeitsplätze an die Drückeberger verlost würden. Das würde man ja gern, so Arbeitsminister Riester darauf launig. Aber wie, bitte schön, solle man etwas verlosen, was es gar nicht gibt. FRITZ TIETZ