Algeriens Presse wieder unfrei

BERLIN taz ■ Die Schlagzeilen sind deutlich: „Die Freiheit wurde umgebracht“, klagt die Redaktion der größten frankophonen Tageszeitung, El Watan, auf der Titelseite. Le Matin wird noch deutlicher und greift den algerischen Staatschef direkt an: „Bouteflika ermordet die Freiheit“. Der Grund der Aufregung: Solche kritischen Aussagen können künftig teuer werden.

„All diejenigen Personen, die den Staatspräsidenten beleidigen, diffamieren oder verunglimpfen“, werden mit einer Haftstrafe von bis zu zwölf Monaten oder einer Geldbuße zwischen 50.000 und 250.000 Dinar (1.500 bis 7.500 Mark) bestraft. Das Gleiche gilt für eine Beleidigung des Ministerrats, der zwei Parlamentskammern sowie der Polizei und der Armee. So steht es im neuen Paragrafen 144 des Strafgesetzes, der am Mittwoch das Parlament passierte. Ein algerischer Journalist verdient zwischen 300 und 400 Mark monatlich. Die größte Partei der Regierungskoalition, die National-Demokratische Versammlung, der Justizminister Ahmed Ouyahia angehört, und die ehemalige Einheitspartei, in der Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika Mitglied ist, stimmten für das Gesetz. Die restlichen Parteien widersetzten sich.

Die Pressemitarbeiter werden vom Paragrafen 144 auf eine Stufe mit Vorbetern gestellt, die in Moscheen „subversive Predigten“ halten. Es bedarf keiner Anzeige, damit ein Staatsanwalt wegen Verunglimpfung ermitteln kann. „Über Journalisten hängt ständig ein Damoklesschwert“, schrieb gestern El Watan. Das Gesetz sei „ein schwerer Schlag gegen die 1989 eingeführte Pressefreiheit“. Staatschef Bouteflika, der seit über zwei Jahren im Amt ist, hat sich immer wieder mit den freien Medien angelegt. Im Wahlkampf beschimpfte er Journalisten als „Waschweiber“. Einmal im Amt, ließ er eine Staatsholding gründen, in der die sechs Zeitungen, die sich aus dem untergegangenen Einparteiensystem herübergerettet haben, zusammengefasst wurden.

Ebenfalls mit im Verbund sind die sechs Zeitungsdruckereien des Landes sowie die einzige große Werbeagentur Anep und die Vertriebsgesellschaft Enamep, die die meisten Kioske beliefert. Die Holding ist im Besitz sämtlicher Rotationsdruckereien des Landes. Die Regierung nutzte diese Monopolstellung in der Vergangenheit immer wieder, um unliebsame Publikationen abzustrafen. REINER WANDLER