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Eine „Tenna“ für den Thron

In Japan sind die Frauen auf dem Vormarsch. Eine Männerdomäne nach der anderen fällt – in der Politik wie in der Wirtschaft. Anlässlich der Schwangerschaft von Kronprinzessin Masako wird sogar über eine weibliche Thronfolge diskutiert

aus Tokio ANDRÉ KUNZ

In Japan fallen traditionelle Männerdomänen derzeit wie reife Äpfel in den Schoß von fähigen Frauen. Fünf Ministerinnen zählt das neue Kabinett von Junichiro Koizumi, und erstmals wird das wichtige Außenministerium von einer Frau, nämlich Makiko Tanaka geleitet. Und die Bevölkerung könnte sich durchaus vorstellen, dass das Land schon bald von einer Ministerpräsidentin angeführt werden könnte.

Da erstaunt es nicht, dass nun endlich eine Diskussion über das Anrecht der Frau auf den japanischen Thron angelaufen ist. Vergangene Woche erklärte Ministerpräsident Junichiro Koizumi, dass er sich eine Frau auf dem Chrysanthementhron durchaus vorstellen könne. Eine Kommission in der regierenden Liberaldemokratischen Partei prüft nun eine Änderung des Hofgesetzes aus dem Jahre 1965, in dem festgeschrieben ist, dass der Tenno ein Mann sein müsse. Nun wird es also Zeit, sich über eine „Tenna“ in Japan Gedanken zu machen.

Das frauenfeindliche Hofgesetz stammt ursprünglich aus dem Jahre 1947 und wurde von den damaligen amerikanischen Besatzern, die eigentlich versprochen hatten, in Japan die Demokratie und die Gleichberechtigung der Geschlechter einzuführen, ohne Wimpernzucken genehmigt. Erst zwei Jahre später wurde den japanischen Frauen mit der offiziellen neuen Verfassung das Stimm- und Wahlrecht zugestanden. Am Hofgesetz wurde allerdings nichts geändert und eine Revision im Jahre 1965 ließ den patriarchalischen Paragrafen ebenfalls unberührt.

Die neueste Diskussion kann leider nicht nur als Aufbruch zu einer Emanzipation der Frauen betrachtet werden. Im Gegenteil, es spielen immer noch chauvinistische Männerträume mit. Seit nämlich bekannt wurde, dass die 37-jährige Kronprinzessin Masako schwanger ist, spekulieren japanische Boulevardblätter bereits wieder über einen „männlichen“ Thronfolger und setzen mit dieser frauenfeindlichen Erwartungshaltung die arme Prinzessin unter ungeheuren Druck. Der Tenno-Familie fehlen nämlich männliche Thronfolger und gerade konservative Kreise in Japan würden die Geburt eines Mädchens im Palast mit großer Enttäuschung aufnehmen.

Das Kind soll Ende November oder Anfang Dezember das Licht der Welt erblicken. Seit der Hochzeit Masakos mit Kronprinz Naruhito im Juni 1993 wartet ganz Japan auf königlichen Nachwuchs – möglichst männlichen eben. Die Prinzessin hatte 1999 eine Fehlgeburt erlitten. Dafür war auch der öffentliche Druck, der auf ihr lastete, verantwortlich gemacht worden.

Diese unfaire Erwartungshaltung weist darauf hin, dass in Japan noch viel zu tun ist, um eine frauenfreundlichere Mitwelt zu schaffen. Dabei ist anzumerken, dass gerade die meinungsbildenden Medienkonglomerate der Nation bis heute fest in Männerhänden bleiben. Eine Situation, die genau wie in der Politik nach grundlegenden Reformen ruft, um die Anliegen der japanischen Frauen längerfristig auch in den Medien fair wiedergeben zu können.

Dabei sind Nippons Frauen nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft im Vormarsch. Die Vorkämpferinnen finden sich heute oft in traditionellen Gewerben, wie etwa dem Sakebrauen. In internationalen Konzernen beginnen Frauen die berüchtigte „Bambusdecke“ ins obere Management zu durchbrechen und es ist wohl nur noch eine Frage von wenigen Jahren, bis eine Frau an der Spitze eines bekannten japanischen Konzerns zu finden sein wird.

Nun könnte man sich im bewegten Japan tatsächlich das folgende Szenario ausdenken. Masako gebärt eine Tochter, das Hofgesetz wird geändert, und Kronprinz Naruhito widmet sich gemeinsam mit Masako der Erziehung der künftigen „Tenna“. Naruhito wird dabei von Männermagazinen als Rollenmodell für den Mann des 21. Jahrhunderts gefeiert, während Masako sich auf das Amt der japanischen Außenministerin unter einer Ministerpräsidentin vorbereitet. Das wäre eine „japanische Revolution“, von der Europa viel lernen könnte.

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