Mit Airbus gegen Amerika

Der europäische Flugzeugbauer hofft auf große Geschäfte mit China. Die Zeichen stehen gut: Der Hauptkonkurrent sitzt in den USA, die Pekings Lieblingsfeind sind

PEKING taz ■ Der Himmel über China ist gefährlich. Dort kann es zu amerikanisch-chinesischen Flugzeugkollisionen kommen, und auf mancher Provinzstrecke verkehren bis heute alte russische Maschinen. Und wer kann diese Gefahren beseitigen? Natürlich Europa, natürlich Airbus. Schon gestern schaukelte eine A380 aus Pappe zwischen den Kronleuchtern eines Pekinger Luxushotels. Darunter saß Airbus-Chef Noël Forgeard, schon zum zweiten Mal in zwei Jahren auf Chinatour, und lobte den neuen Riesenflieger als Lösung für chinesische Himmelstaus.

Airbus ist in China auf dem Vormarsch. In den letzten sechs Jahren steigerte der europäische Flugzeugbauer seinen Flottenanteil von 9 auf 21 Prozent. Inzwischen fliegen 96 Airbus-Maschinen im Dienst chinesischer Fluggesellschaften, die inzwischen die Hälfte ihrer neuen Aufträge an die Europäer vergeben. Rechnet man wie Forgeard damit, dass China in den nächsten zwanzig Jahren 1.600 neue Flugzeuge benötigt und zum zweitgrößten Fliegermarkt der Welt hinter den USA avancieren wird, winkt Airbus ein tolles Geschäft. Zumal wenn es gegen Russen und Amerikaner geht. Denn die Russen liefern nur noch Militärflugzeuge an ihren alten Feind, und die Amerikaner sind Chinas neuer Feind.

Forgeard weiß um die Gunst der Stunde. Gefragt, ob er sich nach der umstrittenen US-chinesischen Flugzeugkollision politische Bevorzugung erhoffe, antwortet er kühl: „Ich bin ein Geschäftsmann.“ Als ob ihn das nicht betreffe. Dabei hatte das Asian Wall Street Journal gerade Gerüchte verbreitet, dass Peking eine Bestellung von 30 Boeing-Maschinen aus Verärgerung über die Kollision sowie amerikanische Waffenlieferungen an Taiwan aufschiebe. Und wenn es wirklich so wäre? „Ich kann nicht leugnen, dass ich mich über neue Aufträge freuen würde“, untertreibt der Airbus-Chef.

In Wirklichkeit redet der angebliche Geschäftsmann schon den ganzen Tag lang über Politik. „Der Erfolg von Airbus ist aus der tiefen europäischen Überzeugung geboren, dass die Welt multipolar sein sollte“, unterrichtet Forgeard Studenten der Pekinger Luftfahrtuniversität in einer Lehre, die auch die Kommunistische Partei Chinas teilt. Multipolarität ist für die Partei der Schlüsselbegriff im Kampf gegen den „amerikanischen Hegemonismus“. Und Forgeard führt ihn in Peking ununterbrochen auf den Lippen: „In unseren Augen bedeutet Multipolarität nicht Bipolarität“, schmeichelt er den Gastgebern in Anspielung auf eine neue chinesische Flugzeugindustrie, die eines Tages neben Airbus und Boeing bestehen könnte. Sie aufbauen zu helfen sei ein Grundanliegen der Europäer. Denn gehe es China heute nicht wie Europa vor zwanzig Jahren? War nicht auch Airbus ein „Spätzünder“? „Schon de Gaulle glaubte an die Multipolarität“, zitiert Forgaerd. „Es ist eben so, dass Europäer und Chinesen hier die gleiche Vision teilen.“

Doch kauft man Flugzeuge mit Visionen oder mit Geld? Unabhängige westliche Analysten behaupten, dass China seine Milliardenaufträge an ausländische Firmen nur nach kommerziellen Kriterien vergebe. Auch der jetzt geplante Boeing-Kauf steht nach Expertenmeinung nicht zur Diskussion. Das Unternehmen ließ die erwähnten Gerüchte umgehend dementieren.

Allerdings steht und fällt die bisherige Kalkulierbarkeit chinesischer Auftragsentscheidungen mit einem Mann: dem kühl agierenden Premierminister Zhu Rongji. Er wird in zwei Jahren zurücktreten. Hat sich bis dahin das amerikanisch-chinesische Verhältnis weiter verschlechtert, dürften sich Pekings zukünftige Regenten auf Forgeards Visionen besinnen. Der Kampf gegen der amerikanische Hegemonismus und andere Himmelsgefahren hat in China gerade erst begonnen – und wird durch Airbus erst möglich.

GEORG BLUME