Familie wird bei den Grünen Chefsache

Eckpunkte zur Familienpolitik: Kindergrundsicherung bis spätestens 2002, das Ehegattensplitting soll schrumpfen

BERLIN taz ■ Die Grünen ziehen eine kritische Bilanz der Familienpolitik ihrer Regierung. „Familien sind noch immer benachteiligt“, heißt es in einem Eckpunktepapier, das die familienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Ekin Deligöz, gestern vorstellte. Die rot-grüne Zwischenbilanz sei zwar ein guter Anfang. „Aber es gibt aus grüner Sicht keinen Grund, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen.“ 15 Prozent aller Kinder lebten in relativer Armut, weitere 15 Prozent „in prekären Verhältnissen knapp oberhalb der Armutsgrenze.“ Die Grünen zielen daher auf eine Verdoppelung des Kindergeldes auf 600 Mark. Deligöz bezeichnete diese Zahl als „Vision“, ohne einen konkreten Zeitplan zu ihrer Umsetzung zu nennen. Als Zwischenschritt wollen die Grünen eine Kindergrundsicherung für bedürftige Familien einführen.

Dabei sollten zunächst 4,9 Millionen Kinder mit bis zu 200 Mark pro Kind und Monat gefördert werden. Im Gegenzug solle der Steuervorteil beim Ehegattensplitting begrenzt werden. Die Grundsicherung könnte nach Deligöz’ Worten noch in dieser Legislaturperiode eingeführt werden, in jedem Fall jedoch ab 2002. Bei der geplanten, aber noch nicht beschlossenen Kindergelderhöhung um 30 auf 300 Mark muss nach Ansicht der Grünen sichergestellt werden, dass nicht Leistungen für Familien gegeneinander ausgespielt würden. Es dürfe den Familien nicht nur Geld gegeben werden, das anderweitig bei Familien eingespart werde, sagte Deligöz. Außerdem müsse die Kindergelderhöhung auch für Sozialhilfeempfänger gelten und dürfe also nicht angerechnet werden.

Forderungen von CDU und CSU nach einem „Familiengeld“ von bis zu 1.200 Mark im Monat lehnte Deligöz als unrealistisch ab. Das Eckpunktepapier soll die Grundlage der Beratungen einer Arbeitsgruppe zur Familienpolitik sein, die künftig unter Vorsitz von Grünen-Parteichef Fritz Kuhn arbeiten soll. Dem Parteigremium gehören außer Deligöz nur noch die schleswig-holsteinische Justizministerin Anne Lütkes sowie Katrin Göring-Eckardt an, die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Parallel zu dem Parteigremium berät eine Gruppe von knapp zehn jungen Bundestagsabgeordneten über Kinder- und Familienpolitik.

Die Grünen sehen das Thema seit kurzem als ein Feld der Profilierung auch im Wahlkampf. Das Papier bemüht sich daher um einen Blick auf Kinder und Familien, der über reine Verteilungsfragen hinausgeht. So werden „ökologische Kinderrechte“ beschrieben, die im verbesserten Schutz von Kindern vor Umweltbelastungen bestehen. Schadstoffobergrenzen etwa sollten auf die Empfindlichkeiten von Kindern abgestellt werden. Mit Blick auf die pränatale Diagnostik „muss klargestellt werden, dass auch Kinder mit Behinderungen von der Gesellschaft gewollt sind“. Auch Migrantenfamilien sollten gesondert gefördert werden. Zur Begründung heißt es, Einwanderung und Integration seien „ein Familienprojekt, das nicht in einer Generation abgeschlossen werden kann“. PATRIK SCHWARZ