Warten auf den Stromausfall

In Kalifornien gingen zum ersten Mal seit März in dieser Woche wieder die Lichter aus. Das Krisenmanagement funktioniert nicht, Strom wird trotz aller Versprechen nun doch teurer

BERLIN taz ■ „Den Test unterbrechen, bis das Licht wieder angeht; den unvollständigen Test bewerten; den Test ausfallen lassen.“ Das sind die offiziellen Optionen, die Dozenten an der Berkeley-Universität in Kalifornien haben. Dort laufen gerade die Abschlussexamen. Und in Kalifornien weiß niemand, wann das nächste Mal das Licht ausgehen.

In dieser Woche wurde in dem US-Bundesstaat das erste Mal seit März wieder Strom abgeschaltet, weil das Netz überlastet war. Das war das sechste Mal in diesem Jahr, und dabei wird es nicht bleiben: Im Sommer werden die vielen Klimaanlagen schon dafür sorgen, dass der Strom im Sonnenstaat knapp wird. Offizielle Schätzungen gehen von 260 stromlosen Stunden aus, auf die sich die Kalifornier einstellen müssen. Ein richtiger Weg aus der Krise ist noch nicht gefunden. Der kalifornische Gouverneur Gray Davis hatte nach einem Stromnotstand im Januar zwar verkündet, die Sache im Griff zu haben – Preiserhöhungen seien auf keinen Fall nötig, versprach er. Doch sein Krisenkonzept – Verträge mit Stromlieferanten und Programme zum Energiesparen – scheint nicht greifen.

Deswegen verkündete die zuständige Aufsichtsbehörde am Dienstag doch höhere Preise. Die Industrie muss sich von Juni an auf eine Erhöhung von 50 Prozent einstellen. Für den Normalbürger gilt ein besonderes Konzept: Die Behörden haben einen „vernünftigen“ Stromverbrauch für die einzelnen Regionen ausgerechnet – teurer wird der Strom nur für den, der mehr als 130 Prozent darüber liegt. Die Kalifornier geben den Politikern und der Stromindustrie die Schuld. Der kalifornische Strommarkt war 1996 dereguliert worden. Die drei wichtigsten Stromerzeuger waren allerdings an einen eigens dafür geschaffenen Pool gebunden. Bei steigenden Erzeugerpreisen mussten sie ihren Strom unter Wert verkaufen. Verschärft wurde das Problem dadurch, dass in Kalifornien seit zehn Jahren aus Umweltschutzgründen keine neuen Kraftwerke gebaut wurden. Hinzu kam, dass der kalte Winter im Osten den Gaspreis hochtrieb – Gas wird jedoch hauptsächlich zur Stromerzeugung genutzt. Der Einkauf aus benachbarten Bundesstaaten war nicht mehr unbegrenzt möglich, weil dort der Verbrauch gestiegen war.

Die Kalifornier werden sich im Energiekonsum darauf einstellen müssen. Dem Bundesstaat ist das 850 Millionen Dollar wert: Energiesparkonzepte sollen honoriert werden, gleichzeitig soll es aber auch Anleitungen zum Sparen geben. Zehn Prozent weniger, das ist das Ziel. Eigentlich könnten die anderen Staaten das als Vorbild nehmen und vorbeugend ebenfalls Programme zum Energiesparen auflegen. Präsident George W. Bush geht aber genau in die andere Richtung: Für ihn ist die Krise in Kalifornien der Beweis, dass eben einfach nicht genug Strom produziert wird. Und das will er ändern.

Den Studenten in Berkeley sind die Energieprobleme ganz recht. Manche wollen in den nächsten Tagen besonders viel Strom verbrauchen. Damit dann ganz offiziell ihr Examen ausfällt.

ULRIKE KLODE