Die Bahn kommt (nun doch)

Gute Neuigkeiten: Bahnchef Hartmut Mehdorn kann erstmals auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2000 zurückblicken, weiß aber nicht so recht warum

aus Berlin KATHARINA KOUFEN

Dass Bahnchef Hartmut Mehdorn eine Pressekonferenz mit einer guten Nachricht eröffnet, kommt selten vor. Gestern war einer dieser raren Momente: „Das Jahr 2000 war, gemessen am Fahrgast- und Güteraufkommen und der Beförderungsleistung, das bisher beste Jahr seit der Bahnreform 1994“, sagte er bei der Vorstellung der Jahresbilanz in Berlin. Ein Jahr lang Horrormeldungen über unpünktliche Züge, schmutzige Bahnhöfe und schlechten Service der Bahn, über immer neue Milliardenlöcher, Streckenstilllegungen und Stellenabbau – und jetzt ist alles bloß halb so schlimm?

Tatsächlich hat die Bahn mehr Kunden und mehr Güter transportiert als im Vorjahr. Um mehr als 2 Prozent stieg die Zahl der Personenkilometer, also die Fahrgastzahl mal die zurückgelegten Kilometer, auf 74,4 Milliarden. Im Güterverkehr legte die Bahntochter DB Cargo sogar um 12,8 Prozent zu. Damit brachte sie es auf 80,6 Milliarden Tonnenkilometer. Gut ein Drittel dieses Zuwachses sind allerdings dem Erwerb der Benelux-Transportgesellschaft Railion zu verdanken.

Positiv fällt auch das Betriebsergebnis (nach Zinsen) der Bahn aus: Mit 389 Millionen Mark plus liegt es deutlich über dem Ergebnis von 1999, als die Bahn mit 170 Millionen in den Miesen stand. Der Umsatz sank zwar um 1 Prozent auf 30 Milliarden Euro, doch muss dabei der Verkauf der Reisebürokette DER berücksichtigt werden. Ohne diesen Verkauf wäre der Umsatz um 5 Prozent gestiegen, so Mehdorn.

Doch die gute Nachricht dürfte bald schon wieder Schnee von gestern sein: Die mittelfristige Prognose, bis 2004 rote Zahlen in dreistelliger Millionen- oder gar Milliardenhöhe zu schreiben, gilt nach wie vor. Das liege am hohen Investitionsbedarf, an steigenden Abschreibungen und Zinszahlungen sowie an den Finanzspritzen des Bundes, die offiziell 2003 auslaufen sollen. Schon ab Mitte dieses Jahres rechnet Mehdorn mit einem Rückfall in die Verlustzone: „Jubeln ist da noch nicht“, warnte der Chef und wies einmal mehr auf die schwierige Aufgabe seines Unternehmens hin: „Wir müssen gleichzeitig sanieren und in einem Kraftakt viel investieren.“

Über die Gründe für das Zwischenhoch kann nur spekuliert werden. „Auch bei der Bahn wüssten wir gerne genau, wie wir zu unserem Glück kommen“, sagt ein Mitarbeiter der taz. DB-Finanzvorstand Diethelm Sack nennt die „positive konjunkturelle Lage“, die „Impulse für den Personenverkehr aus verbesserter Beschäftigungslage“ – womit er wohl die Pendler meint –, den Exportboom und die gute Entwicklung der Stahl- und Kohleindustrie, die für mehr Güterverkehr gesorgt haben. Hinzu kommt, dass der Konzern im letzten Jahr bereits 2000 Stellen mehr abgebaut hat, als geplant war. Mehdorn: „Die Zahl der Mitarbeiter hat sich damit um 7,9 Prozent auf 222.7000 verringert.“

Ob auch die gestiegenen Spritpreise der Bahn geholfen hätten? Auf diese Frage wusste Mehdorn gestern keine genaue Antwort. Einerseits fährt jede fünfte Lokomitive mit Diesel, und Waggons und Bahnhofsgebäude müssen im Winter geheizt werden – die hohen Ölpreise machen also auch der Bahn zu schaffen. Andererseits sind im letzten Jahr mehr Menschen Bahn gefahren – vor allem auf langen Strecken – dort legte der Verkehr um 4 Prozent zu. Der Straßenverkehr in Deutschland hingegen ging erstmals seit Jahrzehnten zurück. Ein Indiz dafür, dass teures Benzin mehr Verkehr auf die Schiene bringt?

Für den verkehrspolitischen Sprecher der Grünen, Albert Schmidt, ist das „keine Frage“. Es zeigt nur deutlich, dass „die Ökosteuer eine Lenkungswirkung hat“. Denn die schlägt mit immerhin 21 Pfennig pro Liter auf den Spritpreis. Was Mehdorn anders sieht: Schließlich zahlt die Bahn im Fern- und im Güterverkehr auch den vollen Steuersatz. Und konnte sich dann gestern den gewohnten Hieb gegen die Politik doch nicht verkneifen: Wie der Flugverkehr müsse auch die Bahn von der Steuer befreit werden. Gleiches Recht für alle. Mehr Schienenverkehr im letzten Jahr – schön und gut. Soll aber bloß keiner glauben, jetzt würde alles ganz schnell gut. Mehdorn: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“