Nerven behalten, nicht Wrocklage

SPD entdeckt Innere Sicherheit als Wahlkampfthema. Innensenator Wrocklage vor dem Ende  ■ Von Elke Spanner und Sven-Michael Veit

Die Tage von Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) sind gezählt. Dem neuen Senat nach der Wahl vom 23. September wird er nicht mehr angehören, selbst wenn die SPD wieder den Bürgermeister stellen sollte. Aber auch Wrocklages Rücktritt noch an diesem Wochenende ist nicht auszuschließen. Voraussetzung ist, dass Bürger-meister Ortwin Runde und Parteichef Olaf Scholz sich zum raschen Handeln entschließen.

Beide stehen zunehmend unter dem Druck von SPD-Hinterbänklern. Ein Festhalten an dem angeschlagenen Senator würde die SPD Stimmen kosten, so fürchten diese, und sie selbst ihre Mandate. Als Wrocklages Nachfolger wird im sozialdemokratischen Teil des Rathauses Finanzstaatsrat Dirk Reimers favorisiert. Der frühere Polizeipräsident und Innenstaatsrat unter Wrocklages Vorgänger Werner Hackmann gilt als einer, „auf den im Polizeiapparat gehört wird“.

Parteichef Scholz will von alldem nichts wissen: „Hartmuth Wrocklage wird noch lange im Amt bleiben“, beteuerte er gestern. Wie lange, darauf wollte sich jedoch nicht festlegen. Die SPD habe die Bedeutung des Themas Innere Sicherheit im Wahlkampf „keineswegs unterschätzt“, beteuerte er auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz: „Das ist schließlich eine wichtige politische Aufgabe schon seit ein paar tausend Jahren.“

Wrocklage selbst wies darauf hin, dass es „in einer großen Volkspartei immer unterschiedliche Meinungen geben“ würde. Dass auch Sozialdemokraten wie Ex-Fraktionsboss Günter Elste und Alt-Bürgermeister Henning Voscherau ihm Vernachlässigung der Inneren Sicherheit im Wahlkampf vorwürfen, bedeute noch lange nicht, dass sie ihm in den Rücken fallen würden: „Der Bürgermeister, meine Partei und die Fraktion stehen hinter mir“, glaubt er. Seinen Rücktritt schloss er entschieden aus.

Es war das erste Mal, dass der Senator sich der Öffentlichkeit stellte, seit aus Polizeikreisen gezielte Indiskretionen über angebliche Inkompetenz und SPD-Filz in der Innenbehörde gestreut wurden und CDU-Fraktionschef Ole von Beust deshalb Wrocklages Rücktritt verlangte. Er habe, tat Wrocklage die Kritik ab, erhebliche Erfolge vorzuweisen: „Wenn sich jemand im Kampf gegen Organisierte Kriminalität profiliert hat, bin ich das“, sagte er und führte mehrere Großeinsätze gegen Modellprostitution als Beleg an.

Runde räumte gestern in einem NDR-Interview ein, „in der Defensive“ zu sein. Die SPD werde bei „diesem hochsensiblen Thema jetzt konsequent handeln und verstärkt darüber reden“. Man müsse, so auch Scholz, „einen Zahn zulegen“. Mit neuen Veranstaltungen solle der Bevölkerung verdeutlicht werden, „dass wir uns bei der Sicherheit nicht verstecken müssen“. Dazu wird das Wahlkampfkonzept, in dem das Thema nur am Rande vorkommt, „jetzt korrigiert werden“. Fehler vermochte Scholz zwar nicht zu erkennen, eine Erkenntnis aber sei ihm dennoch gekommen: „Es gibt Situationen, wo man die Nerven behalten muss.“