„Ich spiele nicht Beethoven“

Mit „Der Verleger“ kommt im Oktober das Leben von Axel Springer ins Fernsehen. Die taz schaute am Drehort bei der Mythenbildung zu und sprach mit dem Hauptdarsteller Heiner Lauterbach

von ARNO FRANK

Auf der Baustelle neben der Elf-Tankstelle am S-Bahnhof Lichtenberg im Osten Berlins ist der Teufel los. Eine Meute hektischer Journalisten drängt sich um ein betoniertes Loch im Boden, Blitzlicht gewittert, denn plötzlich entsteigen dem Tunnel schmutzige Gestalten – DDR-Flüchtlinge. Ein paar Meter abseits hockt ein junger Vopo und nippt ungerührt an seiner Coladose. Schnitt.

Letzte Dreharbeiten zum ARD-Mehrteiler „Der Verleger“, der voraussichtlich im Oktober ins Fernsehen kommt. Erzählt wird das Leben des Verlegers Axel Springer (Bild, Bild am Sonntag, Hörzu), Grundlage für das Drehbuch ist die einschlägige Biografie von Michael Jürgs. Und Axel Springer, das ist Heiner Lauterbach („Rossini“, „Männer“), der sich gerade von der Maske ein paar Sorgenfalten nachziehen lässt.

Die Baustelle, der Rohbau eines Einkaufscenters, dient als Kulisse für den Rohbau des Springer-Gebäudes 1966 in Berlin (siehe Foto). Lastwagen verstellen den Blick aufs Set, die Mauer ist aus Pappmaschee wiedererstanden und sogar ein realitisch nachgezimmerter DDR-Grenzturm ragt dort in den Himmel. Im Schatten darunter steht Herstellungsleiter Michael Boehme und warnt: „Der Herr Lauterbach muss sich konzentrieren, wir drehen gerade sehr wichtige Szenen!“ Wie beispielsweise Axel Springer seiner Frau Luise (Susanna Simon) den neuen Büroturm in der Kochstraße zeigt – und jäh von jenseits der Grenze Schüsse schallen.

In einer Drehpause sitzt Heiner Lauterbach in seinem Wohnmobil, raucht Camel und liest – Springers Bild-Zeitung. Zur Vorbereitung auf die Rolle? „Nein, wegen des Sportteils“, sagt Lauterbach. „In diesem Fall habe ich sehr viele Möglichkeiten gehabt, mich vorzubereiten, zum Beispiel die Biografie von Michael Jürgs. Aus privaten Analysen halte ich mich heraus, ich spiele ja nicht Beethoven. Und bei Springer gibt es ja sehr viele enge Verwandte, die noch leben.“

Friede Springer beispielsweise, die dem Team die Drehgenehmigung fürs echte Springer-Hochhaus verweigerte. „Ich habe Friede Springer auf der Verleihung eines Filmpreises getroffen. Wir haben aber nicht über meine Rolle gesprochen.“

So frostig das Verhältnis zu sein scheint, so recht kann dem Axel Springer Verlag (ASV) das Filmprojekt sein – leistet er doch der Mythenbildung Vorschub: Am Ende seiner Tage blickt Springer aus Patmos, wohin er sich „zum Meditieren“ zurückgezogen hat, auf sein langes und erfülltes Patriotenleben zurück. Auf seinen Besuch im Kreml etwa, wo Springer dereinst von Chrustschow brüskiert wurde. „Wir drehten am Haus von Präsident Putin“, erzählt Boehme, „alles eine Frage des Geldes.“

Wird „Der Verleger“ ein Erfolg, so ziehen der NDR und die Produzentin Regina Ziegler eine Serie über große Deutsche in Erwägung. „Angedacht“, wie es heißt, würden dann die Biografien von Beate Uhse und Willi Brandt. Der kommt im „Verleger“ auch vor, in einer historischen Aufnahme vom Spatenstich in Berlin. „Kennen Sie ,Forrest Gump‘?“, fragt Boehme listig: Lauterbach wird am Computer in die Szene montiert.

Was den Schauspieler an der Rolle gereizt hat? „Sie meinen abgesehen von der Gage?“, fragt Lauterbach: „Ich mag authentische Figuren.“ An Denkmalsbildung ist er angeblich nicht interessiert: „Ich will kein Denkmal, nur drei Stunden gute Unterhaltung.“ Gegen die Bild hege er keinen Groll, „mein erklärter Feind ist die Bild am Sonntag.“

Hat nicht ausgerechnet Lauterbach schon schlechte Erfahrungen mit der Macht der Springer-Presse gemacht? „Wenn ich mir anschaue, was die gerade mit Berti Vogts machen . . . die Medien können einen ganz schön fertigmachen oder aufbauen, je nachdem. Da werden auch Leute hochgelobt, die absolut nix können und anschließend in der Werbung einen Haufen Geld machen“, sagt er mit Seitenhieb auf seine Verflossene, auf Jenny Elvers. Und da wir schon bei Seitenhieben sind: „Am liebsten habe ich’s, wenn beide Seiten irgendwie Recht haben. Aber der Typ, der Rudi Dutschke erschossen hat, den haben sie ja schon munitioniert bei Springer.“ Dann brummt das Handy, Lauterbach entschuldigt sich höflich und geht ran: „Du Schnuckel, ich sitze hier gerade in Interview!“

Nein, „Schnuckel“ hätte Axel seine Friede wohl nie genannt.