„Wir sind Lehrlinge“

Gespräch mit Volleyball-Bundestrainer Stelian Moculescu vor den beiden Weltliga-Spielen gegen Brasilien

taz: Herr Moculescu, gegen die USA gab es in der Weltliga zuletzt zwei Niederlagen. Was wird es Samstag und Sonntag in Berlin gegen Brasilien geben?

Stelian Moculescu: Höchstwahrscheinlich werden’s nochmal zwei Niederlagen.

Das klingt nicht sonderlich optimistisch.

Das hat nichts mit Optimismus zu tun, sondern eher mit Realismus. Und dieser besagt, dass die Brasilianer nach wie vor in einer anderen Liga spielen als wir. Am Wochenende wird sich zeigen, an was wir noch arbeiten müssen.

Dennoch war von der deutschen Nationalmannschaft in den letzten Wochen viel Positives zu hören: Sie darf nach vier Jahren Pause wieder in der Weltliga mitwirken und steht vor der EM-Qualifikation. Ist das deutsche Volleyball auf dem Weg der Besserung?

Ich hoffe es. Wir haben unseren ersten Höhepunkt hinter uns, das war die Qualifikation für die Europameisterschaft, von der uns derzeit nur noch ein Satz trennt. Und jetzt sind wir mittendrin im zweiten Abschnitt, in der Weltliga. Wobei hier das sportliche Ergebnis sicherlich nicht oberste Priorität besitzt.

Was zeichnet die aktuelle Nationalmannschaft aus, was andere vor ihr nicht hatten?

Vergleiche sind da schwer, schon weil es ja immer wieder andere Typen sind. Auffallend an dieser Mannschaft aber ist, dass sie ein paar junge, extrovertiertere Kerle wie Björn Andrae, Michael Mayer oder Mark Siebeck hat. Die sind ehrgeizig und wollen sich etablieren, vielleicht auch mit dem Hintergedanken, einmal Profi zu werden. Das bringt neuen Wind.

Was fehlt diesen jungen Typen zur Weltspitze?

Einiges, vor allem im technischen Bereich. Da müssen wir uns noch deutlich verbessern. Und dazu müssen wir öfter gegen die Weltspitze spielen, um von ihr lernen zu können. Wenn man jahrelang im eigenen Saft liegt, wird man nicht besser. Sondern man meint nur, dass man an der Spitze ist – obwohl das gar nicht stimmt.

Die Weltliga ist also Lehrliga?

Genau. Wir sind da Lehrlinge.

Sie haben unter anderem angefordert, dass hier zu Lande wieder eine „Volleyball-Kultur“ geschaffen werden müsste.

Die Jugendarbeit muss komplexer und gezielter werden, vor allem im technischen Bereich. Wir müssen uns in unserer gesamten Ausbildung mehr um die elementaren Dinge kümmern, die man den Spielern von kleinauf beibringen muss. Denn nur Spieler, die eine gute technische Basis haben, sind später auch in der Lage, in der Spitze mitzuhalten.

Nach wie vor sieht es bei den Fernsehübertragungszeiten beim Volleyball düster aus. In der letzten Saison wurden von Ihrem VfB Friedrichshafen gerade mal sieben Minuten überregional gesendet, und das trotz Champions-League-Teilnahme. Damit können Sie kaum zufrieden sein.

Natürlich nicht. Wir sind das einzige Land in Europa, in dem von der nationalen Volleyball-Liga nicht auch mal live im Fernsehen berichtet wird. Das müssen wir dringend ändern.

Wie?

Wir müssen unbedingt ein Marketingkonzept erarbeiten und auch sonst das ein oder andere verbessern. Dass das Fernsehen nicht zu uns kommt, liegt ja nicht nur am Fernsehen, sondern auch an uns.

Zum Beispiel an der wenig attraktiven Spielzeit am Samstagabend.

Es sind viele solcher Dinge, über die man nachdenken muss. Nur sollte man das nun möglichst zügig machen.

Wie sehr profitieren Sie als Bundestrainer von Ihrer Arbeit als Vereinstrainer beim VfB Friedrichshafen?

Das ist ja der Grund, warum ich diese Doppelbelastung auf mich nehme. Nur im Sommer drei Monate mit der Nationalmannschaft rumzuturnen, wäre der Sache sicher nicht dienlich. Wenn ich im Verein selber am Mann arbeiten kann, noch dazu mit Nationalspielern, dann habe ich als Bundestrainer natürlich einen Vorteil.

Ihr Ziel ist die Olympiateilnahme 2004 in Athen. Können Sie da schon heute eine Prognose abgeben?

Es wird sich zeigen, ob wir das schaffen, denn nach wie vor müssen wir aufholen. Und weil die anderen sich auch weiterentwickeln, müssen wir sogar doppelt aufholen, um mit den anderen Teams gleichziehen zu können. Zumal wir die letzten zwei Jahre verloren haben, auch weil wir nicht das Geld hatten, uns mit der Nationalmannschaft richtig vorzubereiten.Wenn man sich überlegt, dass wir hier in einem der reichsten Länder der Welt sind und andererseits kein Geld für eine Nationalmannschaft vorhanden ist, dann kommt man schon ins Grübeln. Da lacht uns doch die ganze Welt aus.

Interview: FRANK KETTERER