Manikürtes Landleben

Wie ein Raumschiff landete der Robinson Club der TUI in Mecklenburg und brachte Regionalentwicklung Ost mit Wellfit, Golf und guter Landluft

von CHRISTEL BURGHOFF
und EDITH KRESTA

Das Wir-Gefühl will nicht so recht aufkommen. Die Stimmung beim „Bosseln für Anfänger am See“ ist unterkühlt wie das feucht-kalte Klima jetzt im März. „In Griechenland“, sagt ein Spieler aus dem Club, ein gestandener Robinson-Fan, „ist das Wir-Gefühl größer.“ Unser Animateur kann ihm nur zustimmen. „Hier ist der Job für Animateure härter als irgendwo im Süden“, bestätigt er. Da hilft auch das obligate Du nicht, mit dem, von der Rezeptionistin bis zum Zimmermädchen, alle immer und überall freundlichst grüßen.

Kein Wunder, wir sind in Mecklenburg-Vorpommern, und hier bleiben die Leute im Schnitt nur für ein verlängertes Wochenende. Da tut sich die große Robinson-Familie schwerer mit der Gruppenidentität als im sonnigen Süden beim 14-Tage-Relaxing am Strand. An den Fleesensee kommen die Gäste, um den ersten deutschen Robinson Club zu beschnuppern, denn viele kennen ihn schon aus Kenia, Tunesien, der Türkei, von Kreta. Andere wollen das Konzept kennen lernen. So ist es auch gedacht: Als „Schaufenster für Robinson in Deutschland“ bezeichnet Regionalmanager Dieter Schenk den Club in Fleesensee.

Der ist „ganz nah, ganz, fern“, so der Slogan, quasi einen Katzensprung von Berlin, Hamburg oder Rostock entfernt. 24 Clubs in zehn Ländern gibt es schon und nun noch diesen hier mitten auf dem platten Land, wo weit und breit keine Insel zu entdecken ist. Robinson ist heimgekehrt und in Meck-Pomm gelandet wie ein Raumschiff. Innerhalb von zwei Jahren wurde ein touristisches Kleinuniversum mit verschiedenen Einrichtungen aus dem Boden gestampft. „Land Fleesensee“ ist der werbewirksame Namen des Konzepts.

Der Robinson Club ist einem Gutshof nachempfunden. Er ist konventionell gebaut, umweltverträglich, wenn auch ohne den Pep fortgeschrittener Solartechnologie. Er ist die Lokomotive dieses Landerschließungsprojekts. Mit an Bord sind die TUI-Dorfhotels, die Radisson-SAS-Hotelgruppe, der Golfplatzbetreiber PGA European Tour Courses PLC und ein Thermenbetreiber. Die Dorfhotels sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen Holzhäuser, rund um einen Teich gruppiert, samt einer Windmühle, in der ein Kramladen untergebracht ist, und einem Leuchtturm als Kindergarten. Dorfhotels sind das günstigere TUI-Angebot, vor allem für Familien mit Kindern. Und die Radisson-Gruppe hat das alte, neobarocke Schloss Blücher zu einem veritablen Luxushotel für die besser verdienende Klientel saniert und restauriert.

Fleesensee bietet insgesamt 1.600 Betten. Wer aus dem Schloss kommt, betritt direkt den grünen, gepflegten Rasen einer der fünf Golfanlagen, schön gelegen im alten Baumbestand des Schlossparks. Das Eldorado für Golffans hat insgesamt drei 18-Loch-Golfplätze und zwei 9-Loch-Plätze. Mitten im Dorf wurde nicht die Kirche gelassen, sondern eine Therme mit Thermalwasser, Saunen und Rutschbahn für die Kinder. Den Winzort Göhren-Lebbin, früher eine landwirtschaftliche Betriebsgenossenschaft mit zirka 500 Einwohnern, gibt es im Prinzip nicht mehr. Alles ist jetzt „Land Fleesensee“. Ort und Projekt sind geradezu verschmolzen.

Wo einst Getreide wuchs, ist heute rundum „Golfer-Green“. Von Nord nach Süd, von Ost nach West – manikürte Landschaft mit gepflegtem Rasen, Teichen, Biotopen. Ein Ehepaar im Golfdress steht etwas verloren in der weiten Landschaft. Der Boom kommt erst im Sommer, obwohl als Zugeständnis an die klimatischen Bedingungen 80 überdachte und zum Teil beheizte Abschlagplätze bereitstehen. Am Ortsrand liegt der modernisierte Reiterhof, den die ehemalige LPG betreibt und der heute eher nach Duschdas als nach Stall duftet.

Geläutertes Landleben, geläuterter Robinson: Nicht mehr schrille Exotik und grellbunte Papageien locken die Gäste ins Paradiesfeeling unter Palmen. Das feuchtschwüle Ambiente bietet hier die Therme oder der Wellnessbereich im Club. Robinson, unser heimeliger Vorposten in der schönen neuen touristischen Welt der Ferne, frönt hier nach über 30 Jahren Welteroberung der fortgeschrittenen Ganzheitlichkeit von Körper und Geist in heimischer Landluft.

Und diese Ganzheitlichkeit heißt hier „Wellfit“. Sie ist Programm und Lockruf. Ein Konzept, lange entwickelt und im Ausland erprobt, etwa in Kooperation mit der Frauenzeitschrift Elle als „Zeit für mich“-Woche oder als „Easiness of Living“-Woche mit dem Modeunternehmen More and More. Robinson setzt auf Kooperation mit wohl bekannten Markennamen wie Nivea, Sony, Adidas, Falke, Rebok . . . Man präsentiert, sponsert und veredelt sich gegenseitig. Eine hochkarätige Werbegemeinschaft mit der Botschaft einer glücklichen Konsumfamilie. Und die inszeniert sich gern selbst mit Events. Dabei klimpert man mit den Namen prominenter Champs wie Patrick Kühnens, des dreifachen Daviscup-Siegers, der im Tenniscamp auf Djerba zur Verfügung steht. Michael Rummenigge, der Exfußballstar, kickt exklusiv beim Club-Soccer-Camp in der Türkei. All around the world, ein bunter Reigen so genannter Events. Die jeden der 25 Robinson Clubs auf dieser Welt irgendwann zu einem ganz besonderen Highlight machen. Geht es nach den Veranstaltern, dann wird sich der Robinson Club eines Tages als erste Adresse für umfassende Freizeitlebensbetreuung anbieten, als kompetenter Ansprechpartner für jegliches Wellfit-Begehren.

Paradiesfeeling beim Mittagessen im Club. Ein Buffet vom Feinsten: Fleisch von vielerlei Getier, Variation von Salaten, Fisch, heimisch und ausländisch, dazu Reis, Spagetti, Kroketten, Gemüse, Käse, frisches Obst, süße Nachspeisen. Wein und Wasser inklusive. Nachmittags können die Zusatzkalorien der Wellfood-Schlemmereien verbrannt werden. Beim „Sportstainment“ auf dem Fahrrad in der Fitnesshalle, bei der Wassergymnastik im kleinen Pool oder beim Schwitzen in der Biosauna. Die Schwarzweißfotos von vitalen jungen Menschen an den Wänden der Gänge sind Leitlinie für den hier gepflegten Lebensstil: Sie zeigen, wie wir alle aussehen könnten. Ein Konzept für die F-Klasse, wie der Spiegel es nennt. F wie Familie, Freunde, Freizeit und Fun.

Heutzutage ist es angesagt, relaxed statt gestresst und busy zu sein. Robinson präsentiert sich als zeitgemäße Antwort auf den Erholungsbedarf arbeitsamer, wohl angepasster Mittelschichtsfamilien, die was erreicht haben und das trendige Glück suchen. Das Glück der Konformität ihres Lebensstils. Eine repräsentative Studie der TUI hat herausgefunden, dass von 63 Millionen Bundesbürgern ab 14 Jahren 40 Prozent im Urlaub grundsätzlich an Fitness, Beauty und entsprechenden Kursangeboten interessiert sind. Längst dreht sich diese Angebotsspirale, und die Robinson-Familie dreht sich, beim Körpergefühl gepackt, mit. Ein riesiges Feld an Lebensberatern, Lifestylepsychologen und Wellnessberatern ist herangewachsen. Kein hochpreisiges Hotel kommt heute ohne Wellnessbereich aus. Auch Robinson nicht: „Für Body & Mind zum FeelGood.“ Hier wird an der Ich-Optimierung gebastelt und gesalbt.

Statt aufdringlicher Außenleitung der früheren Animationsprogramme Einbettung ins körperbetonte Wohlfühlprogramm. Der Umgang ist dezent, die Animation zurückhaltend, die Fun-Kultur der Clubs ist zugunsten körperlicher Wellness zurückgetreten. Und in Fleesensee steht für diesen Trend alles bereit: die Therme nach dem Reitausflug, das Golfen nach dem Segeln, die Kosmetik vor dem Gang in die romantische Vinothek des alten Schlosses. Eine gut geschmierte Freizeitmaschinerie: Synergieeffekte sind erwünscht, denn jeder kann hier alles nutzen.

Mit dieser durchdachten Konzeption für das so genannte „Kurzzeitsegement“ beim Reisen ist Land Fleesensee das ehrgeizigste Projekt auf dem deutschen Freizeitmarkt, ein unternehmerisches Experiment. Viele solcher Projekte waren im Osten geplant, Fleesensee ist das einzige, das realisiert wurde. Schon in den ersten zehn Monaten war der Club mit seinen 450 Betten durchschnittlich zu 75 Prozent ausgelastet. Die Betreiber hoffen, dass das so bleibt. Nicht nur im Sommer, wenn es endlich grün ist, sondern auch im tristen deutschen Winter.

Familienfeeling wird groß geschrieben. „Die Kinder werden rundum betreut“, schwärmt eine Mutter am Tisch, „sogar ungestörtes Essen ist möglich, weil die Kinder im Robi-Club essen können.“ Kinderbetreuung spielt eine große Rolle, jeder kann seinen Vorlieben frönen. Der Vater joggt, während die Mutter zur Wassergymnastik geht und die Kinder unter Betreuung fröhliche Seidentücher bemalen. Nur wenige stolpern zufällig herein wie das ältere Ehepaar am Esstisch, das die Reise in einem Preisausschreiben gewonnen hat. Man tauscht Erfahrungen aus: „Das Angebot ist toll.“ „Die Leute sind freundlich.“ „Man kann sich zu Hause fühlen.“

Am Nachmittag in der Loggia läuft leise Musik von Mozart. Animateure in Rüschenhemden, Perücken, wadenfreien Beinlingen und Schnallenschuhen aus Mozarts Zeiten servieren Apfelstrudel mit Sahne oder Vanillesoße. Thema heute: Mozart. Wiener-Kaffeehaus-Aktion am Nachmittag, Klassikkonzert Mozart um 18 Uhr im Kaminzimmer. Auch beim Buffet am Abend klingt Mozart an: Tafelspitz mit Krensoße, Dampfnudeln, Kaiserschmarren. Nur logisch, dass es im Abendprogramm um dasselbe Thema geht: Im Clubtheater führen Animateure und andere Robinson-Beschäftigte Mozart als Musical auf. Zurückhaltend, aber unermüdlich halten die Animateure die Stimmung hoch. Sie bieten Unterhaltung, sie sind jung, kontaktfreudig, rund um die Uhr im Einsatz. Wie Raumbefeuchter sind sie überall präsent und versprühen gute Laune. Partikelweise. Eine einzige Duftwolke der Wohlgefälligkeit fleucht durch alle Gänge. Mufflige Zeitgenossen haben hier schlechte Karten. Lächeln gehört dazu wie legere Garderobe.

Nach hausinternen Marktstudien kommen durchweg gebildete Leute in den Club. Fast 40 Prozent davon können mindestens 10.000 Mark Nettohaushaltseinkommen vorweisen. Die Betreiber sind stolz auf ihre Klientel. Und auch für den CDU-Bürgermeister von Göhren-Lebbin ist der Club ein Segen. Dass dieses Projekt bei ihm umgesetzt werden konnte, erfüllt Peter Becher mit Stolz. Vor allem die Reibungslosigkeit und Schnelligkeit, mit denen Planungsvorhaben und Baumaßnahmen realisiert wurden. Wo sich andernorts Planungsprozesse über Jahre hinziehen, ging bei ihm „alles fix“.

Das Projekt wird als Infrastrukturmaßnahme hoch gelobt. 25 Prozent der 400 Millionen Mark Investitionskosten hat die öffentliche Hand beigesteuert. 450 Arbeitsplätze wurden geschaffen, davon sind 80 Prozent mit Beschäftigten aus der Region besetzt. Es gebe, erzählt Becher, eigentlich nur wenige im Ort, die von der „großen Wandlung ihrer Lebensumstände“ nicht voll begeistert seien. Das spiegelt sich auch in seiner überwältigenden Wiederwahl. Vorletztes Jahr, als die Bauarbeiten auf vollen Touren liefen und die Einwohner strapazierten, wurde der Bürgermeister mit fast 80 Prozent wiedergewählt. Er kann sich bestätigt fühlen. Und hofft, dass auch das letzte verbliebene DDR-Grau an den Häusern von Göhren-Lebbin bald optimistischem Weiß weicht. „Überzeugungsarbeit braucht Zeit“, meint er. Bernd Fischer, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern, lobt das Gesamtkonzept Fleesensee. Es habe ein Schlüsselfunktion für neue Kunden.

Und nicht nur für die. Im Storchennest, dem À-la-carte-Restaurant des Robinson Clubs, kocht heute Ralf Lampe aus Neustrelitz. Ihn konnte selbst der Luxusliner Queen Elizabeth II nicht in exotischer Ferne halten, in die es ihn nach der Wende gezogen hatte. Jetzt zaubert er in seiner Heimat Luxusmenüs für verwöhnte Robinson-Gäste. Und ist froh, dass er diese Gelegenheit zur Rückkehr hatte.

Robinson Club Fleesensee, Penkower Straße 2, 17213 Göhren-Lebbin, Telefon (03 99 32) 8 02 00, Fax (03 99 32) 8 02 05 02, www.robinson-club.com, www.fleesensee.de