Einstiger Börsenstar vor Gericht

Infomatec AG: Erstmals verlangen Kleinaktionäre Schadenersatz wegen entgangener Aktienerlöse. Mögliche Anklage gegen Exvorstände wegen Konkursbetrugs und Insidergeschäften. Unternehmen hat inzwischen Konkurs angemeldet

von KLAUS WITTMANN

Als im Juli 1998 der Stern der Augsburger Infomatec AG am Neuer-Markt-Himmel aufging und die Aktien in die Höhen schossen, jubelten Börsianer, Kleinaktionäre und Sportvereine der Region. Auf zeitweise über 60 Euro kletterte der Kurs, und so wurde kräftig gesponsert, investiert und kassiert. Doch der Glanz von einst ist erloschen, Anfang des Monats stellte die Softwarefirma Insolvenzantrag. Gestern war die Aktie gerade mal 60 Cent wert.

Einige Kleinaktionäre haben inzwischen Zivilklage gegen den Hauptkonzern, die Infomatec Integrated Information System AG, sowie die beiden ehemaligen Vorstände Alexander Häfele und Gerhard Harlos eingereicht. Zum ersten Mal wurde nun gestern nach Angaben der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) in Augsburg vor der 2. Zivilkammer des Landgerichts ein derartiger Schadenersatzprozess eröffnet.

So verlangt ein Aktionär wegen entgangener Aktienerlöse 12.000 Mark zurück. Er hatte im April und Mai 2000 insgesamt 300 Aktien zu einem Durchschnittspreis von je 26 Euro erworben, die im September 2000 nur noch insgesamt 1.590 Euro wert waren. Der Vorsitzende Richter Hans-Peter Hirmer will wegen der abweichenden Aussagen der beiden einstigen Vorstände, die erst kürzlich gegen strenge Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, möglicherweise das Verfahren aussetzen, und zwar so lange, bis im Strafprozess ein Urteil gesprochen ist. Eine endgültige Entscheidung darüber will er Ende Juni verkünden.

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Augsburg ermittelt nämlich nach mehreren Hausdurchsuchungen gegen die einstigen Vorstände unter anderem wegen Konkursbetrugs und wegen verbotener Insidergeschäfte. Obgleich das Oberlandesgericht (OLG) München die U-Haft von Häfele und Harlos gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von je 750.000 Mark und strengen Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt hat, besteht nach Angaben der Staatsanwaltschaft der Verdacht auf verbotenen Insiderhandel nach wie vor. „Wir sind weiter der Meinung, dass wir den Insiderhandel nachweisen können, daher ist mit einer Anklage zu rechnen“, sagte dazu Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Kolb. Diese werde voraussichtlich im Herbst erhoben.

Zwar wird trotz des Insolvenzverfahrens noch gearbeitet bei Infomatec, doch von einst 680 Beschäftigten sind derzeit nur noch etwas mehr als 100 in dem Unternehmen tätig. Erst kürzlich habe man einen Großauftrag über 7 Millionen US-Dollar für die Lieferung von 40.000 Surfstations unterzeichnet. Von den Verfahren vor Gericht will man nichts wissen. In einer Presseerklärung heißt es: „Es gibt keine Ermittlungen gegen die Infomatec und damit auch keinen Fall Infomatec.“ Vielmehr habe man den Telekommunikationskonzern Mobilcom auf 4,6 Millionen Mark Schadenersatz verklagt, weil dieser nur 14.000 statt der zugesagten 100.000 Surfstations abgenommen hatte.