taz-interview mit der glücksgöttin
: Der Tag, an dem das Glück sich irrte

Fortunas schwerster Fehler

taz: Na, sind Sie jetzt endlich zufrieden? Sie haben ja wohl auf gemeinste Art und Weise erreicht, was Sie wollten.

Glücksgöttin Fortuna: Wie meinen Sie das?

Tun Sie bloß nicht so, als wüssten Sie das nicht. Schließlich wurden Sie gleich nach Schlusspfiff mit einem Bayern-Schal um den Hals gesehen. Leugnen ist zwecklos.

Oh, also für die Sache mit dem Schal kann ich wirklich nichts. Den hat mir Uli Hoeneß umgehängt, und ehrlich gesagt war mir das sogar etwas peinlich, wie er mich da so öffentlich umarmt und abgebusselt hat wie ein liebestoller Schimpanse. Und das vor all den Leuten . . .

Lassen Sie das: Sie brauchen gar nicht erst nach Ausreden zu suchen, Sie sind längst überführt – als Bayern-Fan.

Stimmt gar nicht. Ich bin zu Objektivität verpflichtet.

Ach ja, und was war das an den letzten drei Spieltagen? Gegen Leverkusen schießen die Bayern das entscheidende Tor in der 87. Minute, gegen Kaiserslautern und jetzt gegen den HSV sogar erst in der Nachspielzeit. Und Sie wollen daran nicht schuld sein?

Das hat nichts mit Schuld zu tun, ich bin höchstens dafür verantwortlich. Zumal die Sache in Hamburg so gar nicht geplant war.

Wie bitte?

Eigentlich war mein Füllhorn für die Bayern nach dem Sieg gegen Stuttgart längst geleert. Wissen Sie, Glück braucht sich mit der Zeit nämlich auf. Aber dann hat alle Welt plötzlich von den Dusel-Bayern gesprochen, was mir doch sehr geschmeichelt hat, weil ich als Mädchen doch immer Dusel gerufen wurde.

Was ist das nun für eine abstruse Geschichte?

Na ja, alle Welt wusste offenbar ganz genau, wem die Bayern die letzten beiden Siege zu verdanken hatte, nur die Bayern selbst wehrten sich vehement, das zur Kenntnis zu nehmen. Das hat mich schließlich so geärgert, dass ich mich kurzerhand dazu durchgerungen habe, meinen Plan zu ändern: Ich wollte den Münchnern die glücklichste Meisterschaft schenken, die je ein Verein gewonnen hat, damit auch die Bayern endlich einsehen, dass sie nur wegen mir wieder Meister geworden sind, diese Dusel-Bayern.

Es war Rache?

Wenn Sie so wollen: Ja, es war auch ein wenig Rache dabei. Mit neun Niederlagen in einer Saison Meister zu werden, das hat in der Bundesligageschichte noch kein Team fertig gebracht. Noch nie ist eine so schlechte Mannschaft auch noch Meister geworden. Das geht einfach nur mit Dusel, mit Glück. Das geht nur mit meiner tatkräftigen Unterstützung. Letztendlich bin ich es, die Meister geworden ist – und die Bayern mit mir. Seit Samstag steht das endgültig außer Frage, und selbst dieser Arroganzling aus dem Mittelfeld hat das mittlerweile zugeben müssen.

Sie meinen Stefan Effenberg?

Ja, so heißt der wohl. Und speziell für ihn wiederhole ich es hier gerne nocheinmal: Dusel-Bayern, Dusel-Bayern.

An die armen, wackeren Schalker haben Sie dabei nicht gedacht? Oder gar an Suh, unsere Suh?

Doch, schon. Speziell Suh tut mir sehr leid, weil es bestimmt nicht viele Koreanerinnen gibt, die Schalke so lieben. Also ihr hätte ich es wirklich von Herzen gegönnt, Meister zu werden, so wie es bei Ihnen in der Zeitung gestanden hat. Andererseits ist es schlichtweg so, dass ich auf Einzelschicksale prinzipiell keine Rücksicht nehmen kann. Bayern ist nun einmal der mitgliederstärkste Verein Deutschlands. Wenn ich die glücklich mache, mache ich mit einem Schlag über 80.000 Mitglieder glücklich. Das ist doch eine fantastische Leistung, auf die ich durchaus auch stolz bin. Ich bin einfach großartig.

Vor allem sind Sie eitel – und ganz offenbar nicht besonders helle im Oberstübchen.

Jetzt werden Sie unverschämt.

Überhaupt nicht, nur logisch. Denn wenn Schalke Meister geworden wäre, hätten Sie mit einem Handstreich ganz Deutschland glücklich gemacht – außer den 80.000 halt.

Oh, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Das wäre ja wirklich eine noch viel fantastischere Leistung von mir gewesen. Gleich das ganze Land, bis auf ein paar Verirrte – so eine Gelegenheit bietet sich selbst einer Glücksgöttin nicht alle Tage. Ich glaube, Sie haben wirklich Recht: Mir ist da ein Fehler unterlaufen. Eigentlich hätte wirklich Schalke Meister werden müssen.

Endlich merken Sie’s!

Meinen Sie, wir könnten das noch rückgängig machen?

Nein, tut uns Leid. Da haben Sie nun wirklich Pech gehabt, Sie Glücksgöttin.

INTERVIEW: FRANK KETTERER