Schröder gegen Rau

Der Kanzler kritisiert Rede des Präsidenten: Es gehe nicht nur um den Schutz von Embryos, sondern auch von Jobs

BERLIN taz ■ Der Kanzler reagiert postwendend auf die „Berliner Rede“ des Präsidenten. Dem Spiegel gab er noch am selben Tag ein schnelles Kurzinterview, in dem er Johannes Rau vorwarf, die „sozialethische Dimension“ der Debatte zu vergessen. Allerdings legte sich der Kanzler noch nicht auf eine Position zu Stammzellenforschung und PID fest.

Es gehe nicht nur um den „Schutz von Embryos“, sagte Gerhard Schröder dem Magazin, sondern auch darum, „was in 20, 25 Jahren“ sei. „Die Biotechnologie ist die Schlüsseltechnologie dieses Jahrhunderts“, erklärte der Kanzler weiter. „Ohne sie werden wir kaum den Wohlstand sichern, den unsere Kinder und Enkel vielleicht auch gerne haben möchten.“

Rau hatte sich am Freitag strikt gegen solche Gesichtspunkte gewandt. „Wo die Menschenwürde berührt ist, zählen keine wirtschaftlichen Argumente“, hieß es in seiner „Berliner Rede“, die er mittags in der Staatsbibliothek hielt. „Ökonomische Interessen sind legitim und wichtig. Sie können aber nicht gegen den Schutz des Lebens aufgewogen werden.“

Rau hatte die aktuelle Euphorie über die Gentechnik mit der in den Sechzigerjahren über die Atomenergie verglichen. Auch er habe die Atomenergie „lange Jahre für den richtigen Weg gehalten“. Die negativen Erfahrung „sollte uns ein wenig skeptisch machen, wenn neue Technologien das Paradies auf Erden zu versprechen scheinen“.

Zwei Unionspolitiker unterstützten am Wochenende Rau. CSU-Vize Horst Seehofer wandte sich ebenfalls gegen ein abgestuftes Lebensrecht für Embryos. „Das Embryo entwickelt sich von Anfang an als Mensch“, sagte er der Welt am Sonntag. CDU-Vizechef Jürgen Rüttgers lobte die Rau-Rede, wenn er auch die Möglichkeiten der Gentechnik nicht „so pessimistisch“ sehe. Allerdings hatte Rau ebenfalls gesagt, dass „unendlich viel Gutes“ in der Biotechnik erreicht werden könnte, ohne sich „auf ethisch bedenkliche Felder“ begeben zu müssen. „Es gibt viel Raum diesseits des Rubikon.“ URB

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