„Es sieht nach Kumpanei aus“

Thüringens Grünen-Sprecherin Astrid Rothe: Auflösung des Verfassungsschutzes wäre ein „Schlag gegen rechts“

taz: Thüringer Verfassungsschützer sollen einen führenden Neonazi vor Wohnungsdurchsuchungen gewarnt haben. Überrascht Sie das?

Astrid Rothe: Nein, ich bin mir sogar sicher, dass noch ganz andere Sachen bekannt werden. Nach dem, was wir hier jeden Tag an neuen Informationen bekommen, muss man sagen, die Auflösung des Landesamts für Verfassungsschutz wäre ein echter Schlag gegen die rechte Szene.

Das müssen Sie uns erklären.

Es steht zu vermuten, dass die NPD hier erst durch die Hilfe des Verfassungsschutzes zu dem geworden ist, was sie heute ist. Es ist klar, dass führende Neonazis V-Männer waren. Es scheint, dass sie dafür hohe Summen bekamen. Und auf jeden Fall ist die NPD in den letzten Jahren wesentlich stärker geworden.

Aber muss der Verfassungsschutz nicht auch mit rechten Informanten arbeiten?

Wenn es so ein Amt überhaupt geben muss, was ich bestreite, dann ja. Aber hier ist ganz klar eine Grenze überschritten worden, wenn man Führungskader reichhaltig finanziert hat und so die rechte Szene mit gestützt und quasi mit aufgebaut hat.

Gleichzeitig hat Thüringen nur wenig zum NPD-Verbotsantrag beigesteuert . . .

Da stellt sich die Frage, ob das Wille ist. Man muss ja unterstellen, wenn so lange so gut mit NPD-Kadern zusammengearbeitet wurde, dass es Kenntnisse gab. Das alles ist sehr bedenklich, weil dieses Verhalten von Thüringen dazu führen kann, dass der Verbotsantrag weniger Chancen hat durchzukommen. Erst recht, wenn klar wird, dass der Verfassungsschutz Teile der NPD sozusagen mit stellt und gerade den militanten Flügel innerhalb der NPD gestützt hat.

Sie meinen, Thüringen hilft der NPD in Karlsruhe?

Es scheint, dass es beim Verfassungsschutz Interesse an der Existenz der NPD gegeben hat. Thüringen muss sich die Frage gefallen lassen, ob es Kumpanei gegeben hat. Denn danach sieht es einfach aus.

Was bedeuten diese Vorgänge für die Arbeit gegen rechts?

Das behindert die Arbeit ganz massiv, wenn man das Gefühl hat, hier wird wahllos Geld in die rechte Szene reingepumpt. Und auf der anderen Seite gibt es für antirassistische Arbeit keinerlei Bereitschaft und auch kein Geld.

Was fordern Sie jetzt?

Innenminister Köckert muss gehen. Er hat immer wieder behauptet, hochrangige Spitzel gebe es nicht. Nun ist das Maß voll. Wir fordern die Offenlegung aller Akten – und die Auflösung des Landesamts für Verfassungsschutz. Weil es befördert, was es verhindern soll.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF