Römisches Meinungsimperium

aus Rom MICHAEL BRAUN

„Interessenkonflikt? Keine Spur! Ich habe ein wunderbares Verhältnis zu meinen Interessen!“ Was ein italienischer Karikaturist dem zukünftigen Ministerpräsidenten in den Mund legte, könnte fast von Silvio Berlusconi selbst stammen. Seinen ganzen Wahlkampf brachte er nämlich damit zu, einen möglichen Konflikt zwischen den Rollen des Regierungschefs und des reichsten Unternehmers Italiens rundheraus abzustreiten.

Die Regierungsmacht zu Gunsten seines Imperiums ausnutzen? Das habe er doch gar nicht nötig angesichts seines dicken Vermögens. Im Gegenteil: Sein Reichtum biete Gewähr für sauberes Regieren, denn anders als die „Politikaster“ brauche er sich nicht bestechen zu lassen, um es zu Wohlstand zu bringen. Und der Verdacht, er könne seine Medienmacht zugunsten seiner politischen Absichten einsetzen? Lachhaft! Seine TV-Anstalt Mediaset stecke voller „linker Journalisten“, nirgendwo herrsche so viel Meinungsfreiheit wie in Berlusconis Reich. Erstens also gibt es den Interessenkonflikt gar nicht – zweitens aber möchte der großmütige Berlusconi ihn trotzdem einer Regelung unterwerfen, gleich in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit.

Nur 13 sind reicher

Zu regeln gibt es da einiges, denn Berlusconi hat weit über die Medien hinaus ein verzweigtes Komglomerat aufgebaut: Laut der amerikanischen Wirtschaftszeitschrift Forbes liegt er mit etwa 25 Milliarden Mark auf Platz 14 der Reichsten der Welt. Seine Beteiligungen kontrolliert Berlusconi über die Holding Fininvest. Zunächst sind da die in der zu 48 Prozent in Berlusconi-Besitz befindlichen TV-Aktivitäten der „Mediaset“: Seit den frühen Achtzigerjahren hat er mit seinen drei Kanälen eine faktische Monopolstellung im italienischen Privatfernsehen.

Canale 5, Rete 4 und Italia 1 liegen bei 45 Prozent Einschaltquote. Das sorgt für reichlich Werbemilliarden; und auch die verwaltet Berlusconi am liebsten selbst, mit seiner flächendeckend im ganzen Land präsenten Werbeagentur Publitalia (deren Struktur er 1994 auch zum Aufbau seiner Partei Forza Italia nutzte – eine saubere Trennung von unternehmerischen und politischen Aktivitäten). Publitalia sammelte im Jahr 2000 Werbegelder in Höhe von 4,8 Mrd. DM ein – zwei Drittel der gesamten TV-Werbung in Italien und immerhin noch 40 Prozent der in allen Medien für Werbung investierten Summen.

Doch neben den elektronischen Medien macht der Mailänder auch mit gedrucktem Papier reichlich Geld. Er ist Besitzer des größten italienischen Buch- und Zeitschriftenverlages Mondadori, er hat dazu diverse weitere Verlage zusammengekauft (unter anderem das prestigereiche linke Haus Einaudi), er kontrolliert die größte TV-Zeitschrift Sorrisi e canzoni genauso wie das politische Wochenmagazin Panorama (ein Focus auf strammem Berlusconi-Kurs) und zahlreiche andere Illustrierte.

Tageszeitungen darf er nach dem italienischen Mediengesetz als Eigner dreier Fernsehanstalten nicht besitzen. Kein Problem für einen Mann, der Interessenkonflikte nicht kennt und das Gesetz natürlich immer einhält: Als die Norm in Kraft trat, vermachte er den Giornale – ein stramm rechtes Blatt mit 250.000 Auflage – seinem jüngeren Bruder Paolo. Und seine Frau Veronica wurde Teilhaberin an der Intellektuellenpostille Il Foglio.

Berlusconi hat auch sportliche Interessen: Zu 99,9 Prozent gehört ihm der AC Mailand. Bei Berlusconi können die Italiener aber nicht nur fernsehen oder Fußball gucken, sie können sich auch bei ihm versichern und ihr Geld anlegen. Der Ministerpräsident in spe ist mit 37 Prozent bei der Mediolanum-Gruppe dabei, die im Geschäft mit Versicherungen aller Sorten sowie im Direct- und Internet-Banking zu Italiens führenden Anbietern zählt.

Auch wer zum Telefon greift, ist womöglich bei Berlusconi an der Strippe: Ihm gehören 19,5 Prozent des Festnetzbetreibers Albacom sowie 9 Prozent vom Mobilfunkanbieter Blu. Wo sollen da Interessenkonflikte liegen? Seit 1994 habe er sich aus der operativen Führung aller Unternehmen zurückgezogen, behauptet Berlusconi. Sprach’s und feuerte vor ein paar Wochen höchstpersönlich den Trainer des AC Mailand (der noch dazu ein Linker war).

Und dass die Entscheidungen der Regierung womöglich seinen Unternehmen nützen, hält er trotz gegenteiliger Präzedenzfälle für „kommunistische“ Unterstellungen: 1994 brachte eine von seiner damals recht kurzlebigen Regierung beschlossene Steueränderung seiner Fininvest ein unverhofftes Zubrot von 240 Millionen Mark. Er werde halt nicht an den Kabinettssitzungen teilnehmen, die seine Interessen tangieren, lautet eine andere der zahlreichen Antworten Berlusconis. Der Mann säße oft auf dem Flur: Egal ob es um Medienrecht, um Unternehmenssteuern, um die Regulierung von Versicherungstarifen oder die Einführung privater Rentenfonds geht, immer sind seine Interessen im Spiel.

Der Blind-Trust-Trick

Aber Berlusconi will gar nicht ernsthaft vor die Tür – als erste Maßnahme kündigte er die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer an, die ihn selbst unmittelbar betrifft. Dann nämlich könnte er den Interessenkonflikt auf äußerst bequeme Weise einer Scheinlösung zuführen: per Überschreibung an seine fünf Kinder unter vollkommener Einsparung der bisher fälligen rund eine Milliarde Mark Steuern. Aber Berlusconi liebäugelt auch mit einer zweiten Lösung: mit einem „Blind Trust“. Ein Treuhänder werde dann seine Geschäfte führen. „Blind“ ist an diesem Verfahren allerdings gar nichts, da es bei Herrn Berlusconi nicht um simple Investments in Aktienpakete geht (die ein Treuhänder tatsächlich ohne Wissen des Betroffenen an- und verkaufen kann), sondern um komplette Unternehmen. Ganz ohne direkte Einschaltung in die Firmengeschicke wüsste der „unwissende“ Chef weiterhin, welche seiner politischen Entscheidungen ihm zum Vorteil gereichen würden und welche nicht.

Und dann ist da noch ein Interessenkonflikt, der mit keiner Regelung aus der Welt zu schaffen ist. Seit Jahren muss sich der Unternehmer immer wieder wegen Bilanzfälschung, Richterbestechung, Korruption von Politikern verantworten. Die Mailänder Staatsanwälte verdächtigen Berlusconi, für seine illegalen Aktivitäten habe er ein Parallelimperium aufgebaut, das in keiner der schönen Fininvest-Grafiken auftaucht: ein Konglomerat von 64 Offshore-Gesellschaften rund um die „All Iberian“, in das er zwei Milliarden Mark verschoben haben soll.

Dieses Konglomerat macht Berlusconi auch in Spanien Ärger: Auch dort wird gegen ihn wegen Steuerhinterziehung und Verletzung des Mediengesetzes ermittelt (siehe kleiner Text). Empört behauptete Berlusconi jahrelang, die „All Iberian“ kenne er überhaupt nicht – wieder mal üble Unterstellungen von „roten Richtern“. Zehn Tage vor der Wahl erinnerte er sich plötzlich anders: Gewiss, da seien die 64 Briefkastenfirmen in den Steuerparadiesen, aber da sei doch nichts Böses dran. Der Mehrheit der Italiener war diese kleine Lektion, wie Berlusconi es mit der Wahrheit hält, ziemlich egal: Sie wählten ihn trotzdem. Und Silvio Berlusconi hat jetzt Gelegenheit, sich als Politiker jenen juristischen Problemen zu widmen, die der Unternehmer gleichen Namens hat. Ganz oben auf seinem Programm steht die Abschaffung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften, die er in Zukunft der Kontrolle durch die Exekutive unterwerfen will.