F-16 bombardieren Gefängnis

Erstmals seit 1967 setzt Israel Kampflugzeuge gegen Palästinenser-Einrichtungen ein. Dies stößt selbst bei Militärbeobachtern auf Kritik. Neue Stufe der Gewalt ist nun erreicht

JERUSALEM taz ■ Nach einem blutigen Wochenende, das insgesamt 22 Israelis und Palästinenser das Leben gekostet hat, sprechen beide Seiten von einem schicksalhaften Kampf. So rechtfertigte Außenminister Schimon Peres kurz vor seiner gestrigen Abreise nach Moskau die jüngsten Angriffe mit Kampfflugzeugen als „eine Reaktion auf das grausame und aggressive Verhalten der Palästinenser“. Man befinde sich in der gefährlichsten Situation seit dem israelischen Unabhängigkeitskrieg im Jahre 1948. Und auch Palästinenserpräsident Jassir Arafat sagte „den entscheidenden Kampf um Palästina“ voraus.

Zum ersten Mal seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 hatte die israelische Armee in der Nacht von Freitag auf Samstag nicht nur Hubschrauber sondern auch F-16-Kampfflugzeuge eingesetzt, um Angriffe auf palästinensische Ziele zu fliegen. Besonders schlimm betroffen wurde ein Gefängnis in Nablus, wo die Insassen wehrlos den Angriffen ausgesetzt waren. Die palästinensische Menschenrechtsorganisation Monitor nannte den „vorsätzlichen Angriff auf die Inhaftierten einen sträflichen Akt, der den Effekt eines Todesurteils hat“. Tatsächlich zielte die Luftwaffe auf die palästinensische Sondereinheit, die die Inhaftierten bewacht. Von den Häftlingen wurde, Berichten zufolge, niemand getötet.

Bombardiert wurden außerdem die Quartiere der Force 17, der Leibwächter Arafats. Die Force 17 war in der Vergangenheit wiederholt an Schusswechseln mit israelischen Soldaten beteiligt. Die Bombardierungen mit mehreren hundert Kilogramm Sprengstoff zerstörten mehrere Gebäude. Insgesamt wurden 15 Palästinenser getötet.

Die Entscheidung zu den Angriffen wurde von Premierminister Ariel Scharon, Außenminister Schimon Peres und Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliesar nach Beratungen mit den Chefs von Militär und Nachrichtendiensten getroffen, nachdem bei einem Bombenattentat in Netanja am Freitag fünf israelische Zivilisten getötet worden waren. Bereits wenige Stunden nach dem Attentat attackierte die Luftwaffe Ziele in Ramallah, Gaza, Nablus und Tulkarem, dem Heimatort des Terroristen.

Beide Seiten machen sich gegenseitig für die „Einleitung einer neuen Stufe des Kampfes“ verantwortlich. Das Attentat in Netanja war seit Beginn der Unruhen das größte Sprengstoffattentat. Militärbeobachter kommentierten am Sonntag, dass die Art der Angriffsziele den Einsatz von Kampfflugzeugen nicht rechtfertige.

Besondere Sicherheitsmaßnahmen verzögerten am Sonntag den Verkehr an zahlreichen Stadteinfahrtsstraßen in Israel. Aus Sorge vor weiteren Attentaten überprüften Straßenkontrollen ab sechs Uhr verdächtige Autofahrer, was bisweilen stundenlange Staus verursachte. Landesweit waren tausende Sicherheitsbeamte im Einsatz, die vor allem in Einkaufszentren, Märkten und Fußgängerzonen verteilt wurden. Besonderes Augenmerk galt den Palästinensern, die sich ohne Genehmigung im israelischen Kernland aufhielten. SUSANNE KNAUL