Wenn sie schläft, braucht die Ente Hautkontakt

Es gibt ihn noch, den legendären Citroën 2 CV: Einmal mindestens im Jahr machen sich besonders „Eiserne“ zu großen Touren durch die Welt auf

Das ist eine Leidenschaft, das ist nicht nur Autofahren. Das ist viel, viel mehr.

Dass man es mit einem eingeschworenen Haufen zu tun hat, merkt man schon in den ersten Sekunden. Neben der Hausglocke hängt eine Ente an der Wand, und der Besucher wird mit einem krächzenden Quak-quak empfangen. Hätten nicht unten am Straßenrand sieben, acht „Enten“ hintereinander gestanden, spätestens das Quak hätte signalisiert: Wir sind beim „Entenclub Lindau“ – den Freundinnen und Freunden des legendären 2 CV, der seit Jahren nicht mehr gebaut, aber nach wie vor von zigtausenden innig geliebt wird. Entenfahren ist eine Leidenschaft, ist nicht nur Autofahren. Das ist viel, viel mehr.

„Eines muss man wissen, wenn man über Entenfahrer spricht“, erklärt Barbarella (56). „Ein Entenfreund schläft mit Hautkontakt zur Ente. So wie andere sich zur Freundin oder zum Freund legen, so legt sich ein Entenfahrer entweder in die Ente, auf die Ente oder neben die Ente.“ Barbarella erinnert sich noch gut, wie das war, als sie aus München anreiste zum ersten Ententreffen. Die Pension war gemietet, und sie hatte sich so richtig chic gemacht. Doch so ganz dazugehörig fühlte sie sich dann draußen bei den „Enten“ nicht. „Da kam die alte Mia, die ist 80 Jahre alt, die ging in ihr Auto, schlief im Auto, und da war mir klar, wenn ich dazugehören will, muss ich meine Ente auch ausstatten.“ Barbarella bestellte sich das berühmte „Schwänzchen“, den Queue, jenen Aufsatz auf dem Heck, in den das Schlafzeug gepackt wird. Fortan war dem Entenspaß keine Grenze mehr gesetzt.

Vor fünf Jahren ist der Entenclub Lindau gegründet worden, er ist nur einer von vielen, aber mit einer ganzen Menge Entenreiseerfahrung. Einmal mindestens im Jahr machen sich einige besonders „Eiserne“ zu großen Touren auf. Christian gehört zu den leidenschaftlichen Allein- und Weitfahrern im Club. „1999 sind wir zum Welttreffen nach Griechenland gefahren, mit sechs oder sieben Autos, und ich habe danach noch beschlossen, mit einem Bekannten weiterzufahren. Wir sind dann am Meer entlang runtergefahren bis in die Türkei.“

Am schönsten, da sind sie sich im Club einig, seien die Treffen, wo sie dann alle zusammenkommen: die Huckepackenten, neudeutsch Pickups genannt, die bekannten Mercedes-Enten, die Safari-Enten, die Kombis und eben die zig und aberzig unterschiedlich und liebevollst lackierten. Mal zusammen nach Italien tuckern, die Pässe hochschleichen und sich ohne mit der Wimper zu zucken von Rennradfahrern überholen lassen, das ist Entenfahren pur. Dabei hat dieses Auto doch eine so frappierende Ähnlichkeit mit rassigen Formel-1-Fahrzeugen, findet Hans-Peter, der in den dreißig Jahren seiner Entenliebe schon mehr als dreißig dieser Autos besessen hat. „Die Schaltung ist ganz ähnlich wie die in einem Formel-1-Auto“, witzelt er. Dabei unterscheiden sich beide schon sehr deutlich. „Eine Ente beschleunigt nicht, sie wird nur schneller.“ Vor allem wenn’s bergab geht ...

Aber was interessiert das einen Entenfahrer. Der hat alle Zeit der Welt und ein ausgesprochen sonniges Gemüt. Klappfenster oder Dach auf – wenn möglich beides zusammen – und dann gehört ihm die Welt. Wie beispielsweise 1998 beim Welttreffen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums in Paris. „Dreispurig sind wir die Champs-Elysees“ entlanggefahren. Das war Spitze!“, schwärmt Susanna heute noch.

Wer nun glauben möchte, ein Entenfahrer braucht unendlich viel Zeit zum Dranherumarbeiten, der irrt gewaltig. „Man fährt damit und fährt damit, und wenn sie mal kaputt ist, dann repariert man sie am Straßenrand“, erklärt Hans-Peter, der nach dreißig Enten weiß, wovon er spricht. Ein Motor wird unter Freunden für 500 Mark gehandelt, eine intakte Gebrauchte wechselt durchaus schon für 1.000 Mark mal den Besitzer. Eine Errungenschaft führt Barbarella zum Abschied noch vor. Ganz schnippisch steht die elegante Dame an der offenen Ententür und hält einen uralten schwarzen Telefonhörer in der Hand. Ein Requisit, das noch aus der Vor-Handyzeit stammt und auch in Zeiten der Handymanie noch immer für Aufsehen sorgt. „Freilich war das vor einigen Jahren noch viel toller. Da hätten sie mal die Blicke sehen sollen, wenn ich den Hörer in der Hand hielt.“ Sie wird das heute nur noch gelegentlich tun. Denn auch in viele Enten haben die Handys Einzug gehalten, wenngleich man nur selten herkömmliche Freisprecheinrichtungen sieht. KLAUS WITTMANN