Dies Ding, das man Song nennt

■ Jim White gastierte am Montag im Moments und nahm ein begeistertes Publikum mit auf die Generalmetapher Straße

Seine Lieder handeln von Gott, mit dem er trotz Haderns nicht wirklich brechen kann, von den Straßen, die ein jeder Mensch entlang muss, und die deshalb (nicht nur) im angloamerikanischen Songwriting die Metapher schlechthin sind; Straßen, an deren Ende so etwas wie Erlösung steht, weshalb auch besagter Gott oder auch Jesus hier wieder ganz in der Nähe sind.

Jim White, dessen unstete Biographie schon genug Stoff für ein ganzes Liederbuch abgibt, ist bei aller Abseitigkeit ein klassischer Vertreter der hohen Songschule, in der als oberstes Gebot gilt, dass ein Song eine Geschichte erzählen muss – der Song, nicht so sehr der Sänger, weshalb White zwar auch zwischendurch Dinge erzählte, dies allerdings in einem Südstaaten-Akzent, der mitteleuropäischen Ohren kaum zugänglich ist. So gab er das Bild eines verschrobenen Einzelgängers ab, nach eigener Einschätzung bereits alt geworden, mit der Gitarre um den Hals geboren, die Musik das einzig verfügbare Ausdrucksmittel.

So stand er da, inmitten seiner jungen Band, die Haare lang wie der junge Townes Van Zandt, der auch gern lakonische kleine Geschichten zwischen den Songs erzählte, die nicht immer wirklich zu verstehen waren. White beschränkte sich auf ein Minimum an Bewegung, wenige Worte, wie, dass sie nun eines jener Dinger spielen, die sie, daheim im Süden, „Songs“ nennen. Nur in seinem Liedvortrag fand sich Emphase – in geringen Dosen, eben dadurch aber natürlich von umso größerer Wirkung. Zwischen Sprechgesang und einem klagenden hohen Ton bewegte sich seine Stimme, die immer ganz im Zentrum des Geschehens stand.

Die Band assistierte ihm dabei facettenreich zwischen Country-(Rock), Sixties-Sounds und Blues, gleichwohl das, was auf Whites empfehlenswerten Alben so angenehm unorthodox klingt – die Verwendung elektronischer Klangquellen und Methoden –, zumindest am Montagabend zugunsten eines eher konventionell kunsthandwerklichen Sounds zurücktrat. Und das alte Problem im Country-Rock war auch hier eins: Je mehr Rock dabei ist, desto bolleriger wird's. Umso schöner dafür die langsamen Songs, bei White von einer samtenen Düsternis durchzogen, die von Greyhound-Bushaltestellen handeln, von alten Autos, die schon lange nicht mehr fahren und die natürlich so eine enorme Bedeutung haben, weil sie untrennbar zur eingangs erwähnten Generalmetapher gehören: das klassische Mobiliar des nordamerikanischen Songs, aber gegen dessen Konvention gebürstet.

Am eindringlichsten war schließlich ein Song, den White ganz allein vortrug. Er war ausgerechnet seiner Familie gewidmet, und besang Heimat – am Ende der Straße – als höchstes der Gefühle. Da gab es keinerlei Distanz mehr zu der vorgetragenen Befindlichkeit. So nahe liegen musikalische Schönheit und lyrische Banalität .

Nach einem alles in allem überaus gelungenen Konzert der Reihe „Sparkasse in Concert“ ließ White ein begeistertes Publikum zurück.

Andreas Schnell

Das Konzert ist voraussichtlich am 5. 9. auf Radio Bremen 2 zu hören.