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: Endlich: Wirtschaft rückt Entschädigung für Zwangsarbeiter raus

Es bleibt eine Schande

Deutsche Gründlichkeit hat sich durchgesetzt. Lediglich 56 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten die Zwangsarbeiter der Nazis ein wenig Lohn nachbezahlt. Jedenfalls die, die heute noch am Leben sind. Und das sind nur sehr, sehr wenige – im Gegensatz zu deutschen Konzernen, die quicklebendig geblieben sind. Mit der Forderung nach Rechtssicherheit hat es die Wirtschaft geschafft, die Auszahlung der Entschädigung noch einmal um zwei Jahre zu verzögern. Nun hat es der deutschen Industrie gestern gefallen, dem Deutschen Bundestag zu erlauben, die Zahlungen endgültig auf den Weg zu bringen. Sollen wir jubeln ob dieser Gnade der späten Überweisung?

Die Geschichte der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter ist und bleibt eine Schande. Erinnert sei hier daran, dass der Beginn der Diskussion über eine mögliche Zahlung auf die Drohung amerikanischer Gerichte zurückgeht, andernfalls einzelnen Firmen hohe Entschädigungssummen aufzuerlegen. Im Gedächtnis bleibt der lange Streit, wie hoch die Summen ausfallen sollten, die Staat und Wirtschaft zur Verfügung stellen. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass die deutsche Industrie es trotz Bettelbriefen und Anklagen nur mit einer Bürgschaft geschafft hat, ihre fünf Milliarden Mark zusammenzukratzen. Worüber kaum jemand mehr spricht, ist der Fakt, dass die ehemaligen Nazi-Sklaven nun mit lediglich maximal 15.000 Mark abgespeist werden, obwohl manche von ihnen über Jahre unter grausamen Bedingungen schuften mussten.

Doch eine Entschädigung, die diesen Namen wirklich verdient hätte, hätte nur zustande kommen können, wenn man sich über Jahre mit der Industrie gestritten hätte. Dann aber hätten noch weniger Zwangsarbeiter die Auszahlung erleben können. Weil das aber nicht im Sinne der Opferverbände sein konnte, hat man sich auf den Kompromiss eingelassen, der nun endlich realisiert werden kann. Es ist und bleibt ein fauler Kompromiss.

Bedanken kann man sich nicht bei denen, die zum Zahlen getragen werden mussten, sondern ganz woanders: bei den US-Gerichten, die die deutsche Wirtschaft unter Druck setzten. Bei den Opferverbänden, die die Einigung mit ausgehandelt haben. Entschuldigen muss man sich bei den Opfern. Weil sie sich mit einer Summe zufrieden geben, die in keinem Verhältnis zu ihrem Leiden und ihrer Arbeit steht. KLAUS HILLENBRAND