Erster Akt vor Gericht

Klaus Löwitsch ist angeklagt wegen Körperverletzung und sexueller Nötigung. Im Gerichtssaal gibt der Schauspieler den aufgebrachten Herrn

„Ich werde hier aufhinterlistige Weisevorgeführt mitdem Ziel, michberuflich zu ruinieren.“

von KIRSTEN KÜPPERS

Klaus Löwitsch ist Schauspieler. Im Fernsehen spielt er die harten Kerle. Solche, die aus brennenden Autos springen, schwere Waffen tragen und mit denen insgesamt nicht zu spaßen ist.

Bei Schauspielerpersönlichkeiten gilt es als bekanntes psychologisches Phänomen, dass das Publikum bisweilen Fiktion und Realität vermischt, die Menschen hinter den Rollen also vergisst. Dieser Schwierigkeit sieht sich dieser Tage auch Löwitsch ausgesetzt. Nur weil er als draufgängerischer TV-Privatdetektiv „Peter Strohm“ bekannt sei, hieße das noch lange nicht, dass er auch privat eine derbe Person sei, sagte er am Mittwoch im Gerichtssaal des Amtsgerichts Tiergarten. Der 65-Jährige muss sich dort wegen des sexuellen Übergriffs auf eine Kollegin verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im Februar letzten Jahres nach einem Gaststättenbesuch die 38-jährige Claudia W. angefallen zu haben. Die Klage lautet auf sexuelle Nötigung und Körperverletzung.

Solche Vorwürfe sind gefährlich. Sie können Karrieren ruinieren. Der Skandal um den TV-Star hatte demnach bereits im Vorfeld des Prozesses eine aufgeregte Medienberichterstattung in Gang gesetzt. Claudia W. hatte ihre Vorwürfe in der Bild öffentlich gemacht, und Löwitsch hatte in einem Focus-Interview geantwortet: „Der Aufreißer ist immer die Frau“.

Löwitsch ist ein guter Schauspieler. Er versteht es, Aufmerksamkeit auszuhalten, er weiß seine Stimme zu benutzen, kennt die Wirkung einer gelungenen Dramaturgie. Vor Gericht sah man demzufolge den Einsatz eines energievollen, aufgebrachten Herrn im seriösen grauen Zweireiher, dem scheinbar gerade eine große Ungerechtigkeit widerfährt. „Ich bin ein kleiner Mann, empfindlich und eitel. Aber ich habe es nicht nötig, mich auf gewaltsame Art Frauen zu nähern“, führte Löwitsch sich ein, um gleich darauf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft laut von sich zu weisen: „Ich werde hier auf hinterlistige Weise vorgeführt mit dem Ziel, mich beruflich zu ruinieren.“ Außerdem sei er am Abend der Tat „total blau“ gewesen. Das Arsenal einer ganzen Betäubungsmittelfabrik, von rotem Burgunder über Weißwein bis Grappa, zählte er dem Gericht dazu auf.

Claudia W., die Hauptbelastungszeugin und Nebenklägerin, ist ebenfalls Schauspielerin, allerdings weder berühmt noch erfolgreich. Zwar war sie kurz vor dessen Tod mit einem renommierten Charakterdarsteller der DDR verheiratet. Sie selbst sei jedoch, wie die Recherchen von Löwitsch’ Anwalt ergeben haben wollen, in der Theaterszene vollkommen unbekannt. Und bei ihrem Auftritt am Mittwoch wirkte die rothaarige Frau sehr unsicher. Zögerlich und leise trug sie im Gerichtssaal ihre Version des Tathergangs vor. Der Angeklagte soll sie aus der Gaststätte verfolgt, von hinten an den Haaren gezogen und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen haben, sagte sie aus. Mit dem Satz, „Ihr Ostbräute wollt und braucht das“, habe er ihr dann zwischen die Beine gegriffen. Von der Tat habe sie Blutergüsse und ein Gehörtrauma davongetragen. Noch heute könne sie nur bei laufendem Fernseher einschlafen.

„Das ist eine erfundene, eine schlecht erfundene Geschichte“, entgegnete Löwitsch. Denn als großer Schauspieler meint er sich auszukennen mit mangelhaften Vorstellungen von untalentierten Schauspielerinnen. Und mit seinen eigenen Gewohnheiten sowieso. Zwar neige er betrunken zu Überreaktionen. „Ich halte es aber für ausgeschlossen, dass das passiert ist.“ Er habe sich dennoch bei W. telefonisch entschuldigt und ihr einen Scheck über 2.000 Mark geschickt, als er von dem vermeintlichen Vorfall hörte. Natürlich wirke das jetzt wie ein Schuldeingeständis, gab er zu. Das sei eine Dummheit gewesen. Um weitere Fehler zu vermeiden, hat sich Klaus Löwitsch längst einen angesehen Rechtsanwalt geleistet.

Und sehr schnell schien die Zeugin W. dem peniblen Fragenkatalog dieses Mannes hilflos unterlegen. Anwalt Manfred Studier wühlte in Claudia W.’s Vergangenheit wie in einem billigen Schicksalsroman. Nicht nur unangenehme Episoden ihres beruflichen Versagens förderte er zu Tage, sondern auch eine in der Jugend erlittene Vergewaltigung sowie weitere rohe Überfälle von Männern. Seiner Meinung nach, leide Claudia W. unter „sexuellen Obsessionen“.

Und tatsächlich verfing sich Claudia W. auch bezüglich der Anklagepunkte in Widersprüche. So wurde nicht klar, ob Löwitsch sie an besagtem Abend von hinten oder vorn angegriffen habe. Die Zeugin sei nicht glaubwürdig, lautete demnach das schnelle Resümé des Anwalts. Löwitsch müsse frei gesprochen werden.

Wenn Claudia W. die Wahrheit sagt, dann hat sie an diesem ersten Prozesstag gelitten. Wenn nicht, muss sie sich ihre Verletzungen selbst zugefügt haben. Weitere Zeugen werden in der kommenden Woche gehört.