Sparen nur noch fürs Image

Der Rechnungshof attestiert Berlin eine „extreme Haushaltsnotlage“ und überflüssige Ausgaben: Computer werden nicht eingesetzt, Projekte nicht öffentlich ausgeschrieben

„Diese Darstellung ist so hart wie noch nie und sie ist schon wieder überholt.“ Der Jahresbericht des Rechnungshofes von Berlin ist ein Papier, das sich gewöhnlich hoher Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfreut. In diesen Tagen aber steht allein die Bankgesellschaft Berlin im Mittelpunkt des Interesses. „Mit Entsetzen“ beobachte der Rechnungshof die Entwicklung beim Bankkonzern, so Vizepräsident Hans-Joachim Kerkau: Der von Finanzsenator Peter Kurth (CDU) überraschend auf mindestens 4 Milliarden Mark bezifferte Finanzbedarf der Bankgesellschaft verschärfe die angespannte finanzielle Situation der Hauptstadt zusätzlich.

Die Kritik des Rechnungshofes an der Bankgesellschaft Berlin (BGB) geht jedoch über die aktuelle Misere hinaus. Die BGB ist ein gemischter privatrechtlicher/öffentlich-rechtlicher Konzern unter Einbindung der Landesbank. Diese Konstruktion sei per se bedenklich, so der Rechnungshof. Ein solcher Konzern wirtschafte mit öffentlichen Mitteln, sei jedoch der Kontrolle durch Parlament und Rechnungshof faktisch entzogen.

Diese Einschätzung ist brisant: Während der Senat möglicherweise Milliarden locker macht, um die Bankgesellschaft gemeinsam mit einem neuen Partner wieder flott zu machen, stellt der Rechnungshof den Konzern als solchen in Frage.

Dass die Geschäfte der Bankgesellschaft das Land Berlin als Ganzes ruinieren, muss indes nicht befürchtet werden. Berlin ist längst pleite. „Berliner Finanzen: Zukunft ohne wirkliche Perspektive“ schreibt der Rechnungshof leicht prosaisch. „Äußerst gefährdet“ sei die Konsolidierung des Haushalts. Von einem ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldungen und Verkauf von Landeseigentum ist Berlin „noch mindestens 5,8 Milliarden DM“ entfernt.

Was kann getan werden? Der Berliner Rechnungshof kritisiert, was Rechnungshöfe an Verwaltungen eben kritisieren: Ungenutzte Einsparungen im Personalbereich. Ausbleibende Umstrukturierungen bei den Berliner Forsten, die zu 5,3 Millionen Mark Mehrkosten führen. Keine öffentliche Ausschreibung von Projekten. Fehlender Einsatz von Computern in den Sozialämtern. Und siehe da: „ungerechtfertigt hohe Versorgungsansprüche der Staatssekretäre“. Insgesamt summieren sich die Beanstandungen des Rechnungshofes auf 148 Millionen Mark. Eine große Summe an Geldern, die leicht einzusparen wäre? Ein Heidengeld zum Fenster rausgeworfen? Nicht einmal die Zinsen für die neuen Milliarden für die Bankgesellschaft.

Offiziell glaubt der Senat noch, sich aus eigener Kraft aus der miserablen finanziellen Lage befreien zu können. Der Rechnungshof teilt diesen politisch motivierten Optimismus nicht: „Ohne fremde Hilfe ist kein Ausweg möglich“, bekannte am Mittwoch der Rechnungshofvize Kerkau. Trotzdem müssten die eigenen Bemühungen erhöhrt werden, „um die innere Legitimation“ für Hilfe von außen zu erhalten. Es sei beispielsweise nicht einzusehen, dass Berlin darauf verzichte, beim Ausbau von Straßen Gebühren von Anwohnern einzutreiben, wie es in allen anderen Bundesländern Praxis sei, und dennoch auf stetige finanzielle Zuwendungen der anderen Länder hoffe. Kerkau wollte sich nicht dazu äußern, wie sich das Desaster der Bankgesellschaft und die Unregelmäßigkeiten ihres ehemaligen Vorstandsmitglieds Klaus Landowsky (CDU) auf die „innere Legitimation“ Berlins auswirke. Laut Rechnungshof erfüllte Berlin die Voraussetzungen einer „extremen Haushaltsnotlage“ bereits vor dem Bekanntwerden des aktuellen Desasters der Bankgesellschaft.

Die Feststellung einer „extremen Haushaltsnotlage“ nach den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht einst für die klammen Länder Bremen und Saarland festgelegt hat, ist Voraussetzung für die Bemühung um Bundeshilfen zur Sanierung der Berliner Finanzen.

ROBIN ALEXANDER