mein roter burda-frauenkalender von WIGLAF DROSTE
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Er lag an der Kasse einer Buchhandlung. Er war aus rotem Velours, er fühlte sich gut an, weich und wuschig, und als ich ihn aufblätterte, bot er mir für jeden Tag des Jahres eine halbe Seite Platz an, um mein Leben in ihn hineinzuschreiben, und sonntags sogar eine ganze: mein roter Burda-Frauenkalender. Ein angenehmes Gegenstück zum Gesinnungskalender schien er zu sein und erst recht eins zum so genannten Chefplaner, der die Wochentage nach halben Stunden strukturiert, weil es in der Rattenrennenwelt Faulheit so wenig geben darf wie ein Recht auf sie.

Doch auch mit dem Frauenfaulenz ist es nichts, jedenfalls nicht bei Burda, wo das Weib fleißig zu sein hat und adrett. Aus meinem Burda-Frauenkalender 2001 erfahre ich, wie Glasvasen wieder strahlend sauber, Kartoffeln richtig gelagert, Kratzer auf Holztischen entfernt, Bohrlöcher zugespachtelt und Töpfe über Nacht gereinigt werden, wie hübsch sich Kürbisse machen als Tisch-Dekoration, wie aus einer Eierschale ein Blumenväschen wird und wie ich froh bin im Büro: „Der Anblick von Grünpflanzen wirkt stressbedingten Spannungszuständen entgegen. Prima am Arbeitsplatz.“ Wacker werde ich gestählt und gehärtet im Kampf gegen Schmutz und Falten. In Teflon ausgebraten, straff lebenstüchtig und abwaschbar zische ich umher und bin doch längst nicht mehr so kernseifen wie die deutsche Frau von einst, sondern durchaus flott mit Hilfe der „Basis-Pflege fürs Decolleté“ und einer Hefe-Schälkur, und weil ich auch nicht auf den Kopf gefallen bin, erlerne ich in Nullkommanichts „das kleine Spargel-Einmaleins“ und das Grundgesetz der Lärmvermeidung: „Filzschuhe schlucken Trampelgeräusche.“

Zur Hölle nützlicher Tips fügen sich Kalenderblattweisheiten für Greise jeden Alters: „Wer im Leben kein Ziel hat, verläuft sich.“ Hätte Abraham Lincoln, von dem die Vollweisheit stammt, sich ein bisschen verlaufen, er wäre möglicherweise nicht in einem Theater erschossen worden. Das Tränentier des deutschen Films wird zitiert, Wim Wenders: „Träumen ist wie Batterieaufladen fürs Wachleben.“ Jean-Paul Belmondo weiß auch etwas: „Zärtlichkeit ist hautnahe Verehrung.“ So spricht es aus dem Gesicht, das einem Sitzsack aus Nappaleder gleicht und das sich mittlerweile eher für die vom Burda-Frauenkalender empfohlene „Traubenkur für glattere Haut“ interessieren dürfte.

Sternzeichenkunde gibt es auch: „Die empfindsame Krebs- Frau“ ist „mal scheu und zurückhaltend, mal ganz Power-Frau“. Denn das Herabsinken der Frau zur „Power-Frau“ muss sein. So spricht Aenne Burda im Burda-Frauenkalender: „Gute Vorsätze sind die Voraussetzung zur ständigen Selbstdisziplin, ohne die wir rasch in Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit versinken würden. Gute Vorsätze sind also nichts anderes als Forderungen an uns selbst.“ Das gusseiserne Geschwätz lässt sich kontern mit Kinky Friedman, dessen Kombination aus Aperçu und Uppercut im Burda-Frauenkalender allerdings fehlt: „Ein Mann ohne Frau ist so etwas wie ein Kopf ohne Schmerzen.“