Näher kommen erst im Nachwort

■ Gar zu ehrfürchtige Biographie des Todesstrafekandidaten Mumia Abu-Jamal: Zur Verleihung des Erich-Mühsam-Preises wird Terry Bissons „On a Move“ vorgestellt

Drei Bedingungen hatte Mumia Abu-Jamal seinem Biographen Terry Bisson gestellt: 1. Das Buch muss die Privatsphäre aller respektieren, die nicht namentlich genannt werden wollen. 2. Das Buch darf niemanden verletzen und niemandem Schaden zufügen oder ihn lächerlich machen. 3. Es muss Spaß machen, es zu lesen. Ob die ersten Bedingungen erfüllt sind, kann die Leserin nicht beurteilen. Die dritte ist es nicht.

On a Move – Die Lebensgeschichte von Mumia Abu-Jamal ist ein Buch für Insider. Bisson wählt bewusst die Methode der „kurzen, impressionistischen Schlaglichter“. Mumia Abu-Jamal, für den am Sonntag der deutsche Widerstandskämpfer Peter Gingold in Lübeck den Erich-Mühsam-Preis entgegen nehmen wird, mag der berühmteste politische Gefangene seit Nelson Mandela sein. Aber wer kennt schon wirklich die Hintergründe, die zur Erhebung der Black Panther in den USA der fünfziger und sechziger Jahre führten? Bisson hält sich leider nicht lange mit ihnen auf. Abu-Jamals Kindheit – an der man die Lebensbedingungen gut hätte schildern können – wird im Schnelldurchlauf abgehandelt, ebenso die Phase bei den Black Panthers. Dem haarsträubenden Prozess schließlich, in dem Abu-Jamal wegen angeblichen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt wird, widmet das Buch ganze zwölf Seiten.

Auf die Dauer nervt Bissons Bewunderung für Abu-Jamal, und sie verstellt den Blick auf den Menschen. Der kleine Wesley (Abu-Jamals bürgerlicher Vorname) „ließ sich nicht so einfach etwas verbieten“, war ein „Pionier“. Aber von Anfang an etwas Besonderes ist jedes Kind. Mumias erste Akte beim FBI kommentiert Bisson: „Ein bemerkenswertes Debüt für einen Schüler an der Unterstufe der Highschool.“ Das mag stimmen – aber wieso überlässt der Autor diese Schlussfolgerung nicht dem Leser? Es ist immer schon serviert.

Fahrlässig wird diese Haltung, wenn Bisson auf Abu-Jamals Schwächen zu sprechen oder besser zu schweigen kommt. Mit 16 beschließt Mumia, dass er ein Kind will. Was seine Freundin, die auch noch zur Schule geht, davon hält, erfahren wir nicht: Das Kind wird gemacht. Auch mit der Treue hat unser Held seine Probleme, die sich verstärken, je berühmter er wird. Zwei Ehen zerbrechen daran – so recht mag Bisson es seinem Idol nicht übel nehmen.

Näher kommt Mumia Abu-Jamal uns erst im Nachwort. „Mach aus mir nicht irgendeinen Heiligen oder Märtyrer. Ein Revolutionär zu sein ist schwierig, aber es macht Spaß. Und ob du's glaubst oder nicht, ich hab immer noch Spaß dabei.“ Diesen Menschen würde man gerne kennen lernen. Das Buch stellt uns nur den Helden vor.

Heike Dierbach

Terry Bisson: On a Move, Atlantik-Verlag, 248 S., 25 Mark; Buchvorstellung und Verleihung des Erich-Mühsam-Preises: Sonntag, 15 Uhr, Buddenbrook-Haus, Mengstr. 4, Lübeck