Das Gedächtnis der Verbraucher

■ Reformen für das Steintorviertel: Bislang blieben die Kunden am Sielwalleck hängen und die Läden machten dicht / Kneipen sollen das jetzt aufbessern

Die Schmerzgrenze liegt am Sielwalleck: „Im Ostertor laufen die Geschäfte noch gut, nach dem Sielwall hört es dann aber auf“, klagt nicht nur Beiratssprecher Erich Römhild (SPD). Vor dem Steintor versiegt nämlich der Einkausstrom. 15 Läden stehen dort inzwischen leer, weiteren droht das Ende. Um das Steintor wieder aufzumöbeln, suchen Ortsamt und Beirat jetzt nach Unterstützung für die „starke Straße“, um den Einzelhandel und das Profil das Quartiers zu stärken.

„Das Gedächtnis der Verbraucher ist wie bei einem Elefanten“, meint auch Norbert Caesar vom gleichnamigen Geschäft: Gleich am Steintor-Eingang sehen KundInnen erstmal aber nur leere Läden, erinnern sich an die Drogenszene und kommen nicht mehr wieder. „Auch wenn da nie jemand ausgeraubt wird“. Die Fluktuation in den Geschäften ist dem entsprechend: Binnen zehn Jahren wechselte rund die Hälfte der Läden ihren Besitzer oder blieb ganz leer.

Vor allem die alten Traditionsgeschäfte haben inzwischen dicht gemacht. Der Anfang vom Ende war der Weggang des Porzellansgeschäfts Luperti, erinnert SPD-Mann Römhild. „Danach hat sich die Qualität der Geschäfte oft nur verschlechtert“. Kaufkraftbindende Geschäfte blieben jedenfalls dem Steintor fern.

Ortsamt, Beirat Östliche Vorstadt und Geschäftsleute sind jetzt angetreten, „wieder ein bisschen Leben in den Straßenzug zu bringen“ (Römhild). Die Händler hoffen auf eine „Renaissance gut geführter Läden“, die neue Kundenströme ins Steintorviertel locken.

Mit finanzieller Förderung des Wirtschaftsressorts, Marketing und unkonventionellen Ideen will Ortsamtsleiter Robert Bücking das schaffen. Relativ unbürokratisch könnten in Zukunft mehr Kneipen und längere Schankzeiten als „Anker“ den Menschen ins Steintorviertel helfen. Eine Lockerung der Konzession auf bestimmten Teilen der Hauptstraße zum Beispiel. Oder ein Café-Terrasse auf dem Flachdach des Extra-Markts, als „Wahrzeichen“ Steintor. „Gastronomie ist zwar kein Allheilmittel, sie bringt Lärm, sie füllt nicht unbedingt die leeren Läden, aber sie verändert vielleicht das Gesicht der Straße“, hofft Bücking.

Als nächstes müsse über die Helenenstraße nachgedacht werden. „Wenn wir da ein attraktives Angebot hinkriegen, kann das neue Entwicklungen anstoßen“, glaubt Bücking. Solche positiven Signalen sollen auch vom neugestalteteten Öko-Markt ausgehen.

Was fehlt ist bislang die Politik im Boot der Steintor-Förderer. „Die Stadt darf sich nicht erlauben, das Nebenzentrum abzuschreiben“, meint Ortspolitiker Römhild: „Bislang fehlte für das Steintor die stadtplanerische Initiative.“ Zwar gab es bereits konstruktive Gespräche mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Ortsamtsleiter Bücking hätte aber gerne mehr Geld und Fachleute für die Förderung des Viertels.

Wenn zum Beispiel die City vom Innenstadt-Sofortprogramm profitiert, müssen auch die Nebenzentren was aus den Haushaltstöpfen des Wirtschaftsressorts abkriegen.

Geht alles gut, wird man sich aber auch im Viertel umgewöhnen müssen. „Die Stimmung ist ein biss-chen umgeschlagen“, meint auch Römhild im Hinblick auf die Konzessionszeiten. Aber auch an mehr Autos wird man sich gewöhnen müssen. Will das Steintor mehr Kunden, dürfen die Besucher nicht gleich ein Knöllchen kassieren. Paradigmen-Wechsel: Nicht weniger Parkplätze, wie man früher meinte, sondern mehr müssen den Kunden geboten werden. Das Leben im Steintor wird dann lauter, dichter, aber auch urbaner.

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