Rettet den Avus-Asphalt!

Am 10. Juni soll in Berlin die traditionelle Fahrradsternfahrt stattfinden. Was aber, wenn – so wie bei einer anderen Großveranstaltung – etwas dazwischenkommt? Ein aktuelles Katastrophenszenario à la Hauptstadt-Provinz

von C. STORM
und L. KLAASSEN

Es hätte wieder einmal das Highlight der internationalen Radler-Szene werden sollen – die Fahrradsternfahrt 2001. Wochenlang hatte der ADFC nach einem öffentlichkeitswirksamen Motto der Biker-Demo gesucht. „Velorouten statt Betonschneisen“ soll der Slogan lauten, unter dem sich wie jedes Jahr 50.000 Fahrradfahrer treffen, um für ihre Sache in die Pedale zu treten.

Doch dann schlug die Nachricht in die Vorfreude auf den 10. Juni ein wie ein tiefer gelegter GTI in einen brandenburgischen Alleebaum: Der traditionellen Sternfahrt droht die Aberkennung ihres politischen Anspruchs, wie gestern aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen kolportiert wurde.

Der Schock beim ADFC sitzt tief. „Das kann man der Community nicht zumuten“, sagte Benno Koch, dessen Worte bei der Abschlusskundgebung auch 2001 wieder in alle Welt übertragen werden sollten.

Für die Bürgerinitiative „Rettet die Avus“ sind die politischen Pläne hingegen ein Schritt in die richtige Richtung: Die Autobahnschützer warnen schon seit Jahr und Tag vor den gefährlichen Folgen der gigantischen Radlerparade für das empfindliche Gleichgewicht der Asphaltdecke. Die Avus sei die graue Hauptschlagader der Stadt, erklärte die Bürgerinitiative. Als Alternative nannte die Teerlobby das Velodrom in Pankow.

Noch haben die Berliner die Bilder vor Augen, die sich nach der letzten Sternfahrt auf der Avus boten: Kerngehäuse von Äpfeln, Reste von Fahrradflickzeug, alte Luftpumpen, der Asphalt aufgeschlitzt von messerscharfen Rennradreifen. Der Grunewald hat sich bis auf den heutigen Tag nicht richtig vom Sauerstoffschock des letzten autofreien Tages erholt, die Spatzen hatten sich wegen der plötzlich einkehrenden Stille von den Zweigen gestürzt.

Bislang wurden die Folgen des Mega-Events von Seiten der Stadt – die für die Entsorgung des Abfalls und die Ausbesserung der Straßenschäden aufkam – geflissentlich hingenommen. Brachten doch die Freunde der pedalgestützten Fortbewegung nicht nur jede Menge Geld in die Spreemetropole, sondern auch eine erhebliche Image-Aufwertung für Berlin.

Eine letzte Hintertür bleibt den Veranstaltern der Sternfahrt noch offen: Nicht als politische Demonstration, sondern als Freizeitausflug solle die Parade vonstatten gehen. Denn das Fahrrad, so die politisch Verantwortlichen, sei ein Freizeitgerät, das höchstens auf dem Dachgepäckträger eines Pkw etwas zu suchen habe – und kein Verkehrsmittel, das auf die Straßen gehört.

Doch selbst wenn der ADFC dieser Forderung nachkommt – wonach es derzeit nicht aussieht –, wäre die Veranstaltung noch nicht gerettet. Die Bürgerinitiative „Rettet die Avus“ hatte bereits vor der Fahrradlobby am 10. Juni einen einen Stau vom Dreieck Werder bis zum ICC angemeldet. „Wer zuerst kommt, steht zuerst“, freuen sich die Autobahnschützer.

Dieses Szenario birgt allerdings Risiken, die auch von der Autobahnlobby nicht gewollt sein können: Wird die Fahrraddemo kurzfristig tatsächlich auf einen anderen Termin verschoben, droht der Stadt das sichere Chaos.

Die Masse der 50.000 erwarteten Radler wird sich voraussichtlich nicht auf die Änderungen einstellen und trotzdem am 10. Juni nach Berlin kommen. Dann, so befürchten Verkehrsexperten, verteilen sich überall auf den Straßen der 3,4-Millionen-Metropole vereinzelte oder kleine Gruppen von Fahrradfahrern. Die Folgen dieses Ausnahmezustandes wären unabsehbar ...