„Fast hätte es uns auch erwischt“

Einen Tag nach dem Flugzeugabsturz in Neukölln steht fest: zwei tote Flieger, ein halb zerstörter Hinterhof und viel Aufräumarbeit für die Polizei. Die Anwohner haben noch mal Glück gehabt und wollen aus der Einflugschneise raus

Ein schöner Freitagnachmittag in Neukölln: Im Stadtteilpark Lessinghöhe nahe der Karl-Marx-Straße sind die Rasenflächen voll von Sonnenanbetern und spielenden Kindern. Nichts deutet darauf hin, dass das Wohngebiet in der Einflugschneise des Tempelhofer Flughafens am Tag zuvor Schauplatz eines Flugzeugabsturzes war.

Gegen 17 Uhr hatte am Vatertag eine einmotorige Sportmaschine vom Typ Beechcraft beim Landeanflug auf Tempelhof technische Probleme gemeldet. Kurz darauf verlor das Kleinflugzeug an Höhe und prallte auf die fensterlose Rückwand eines Mietshauses in der Bornsdorfer Straße. Dabei riss es ein Loch in die Wand und stürzte auf eine Gartenlaube im Hinterhof. Nach einer anschließenden Explosion brannten das Flugzeug und die Laube völlig aus. Die Insassen, eine 55-jährige Frau und ihr zwei Jahre älterer Ehemann, hatten sich auf dem Rückflug von einem Tagesausflug nach Usedom befunden. Beide kamen in den Flammen ums Leben.

Der erste Flugzeugabsturz auf Berliner Stadtgebiet seit den Tagen der Luftbrücke Ende der Vierzigerjahre forderte zum Glück keine Opfer unter den Anwohnern. Im Hof und im hinteren Teil des Hauses hatte sich zum Zeitpunkt des Unglücks niemand aufgehalten. Wenn das Flugzeug jedoch in den bevölkerten Stadtpark nebenan gestürzt wäre, hätte es ein Blutbad gegeben.

Weil das nicht der Fall war, geht das Leben am Tag darauf scheinbar wieder seinen gewohnten Gang. „Ob hier irgendwas anders ist als sonst? Die Toten sind tot. Der Rest interessiert mich nicht“, grummelt ein Radfahrer. Dennoch ist es ungewohnt, dass der Unfallort von vielen Polizisten abgesperrt bleibt. Ein Hubschrauber wird angefordert, um die Überreste des Unglücksflugzeugs aus dem Hinterhof zu bergen. Die Anwohner sind genervt, weil sie zwei Stunden lang weder rein noch raus dürfen. Die Aufräumarbeiten werden von einigen wenigen Schaulustigen verfolgt, die sich im Park versammeln.

Unter den Zuschauern ist auch Simon aus dem Nachbarhaus. „Guck mal, Mutti, ich hab Besuch von einem Hubschrauber“, witzelt er, als das Dröhnen näher kommt. Seine Mutter, die aus Holland zu Besuch ist, schießt ein Foto. An dem Unfallnachmittag habe sie mit ihrem Sohn im Park gelegen, als es plötzlich geknallt habe, erzählt sie. Nachdenklich fügt sie hinzu: „Da wird einem erst bewusst, dass man am seidenen Faden hängt zwischen Leben und Tod.“

Auch anderen Augenzeugen scheint das Erlebnis unter die Haut gegangen zu sein. Vedat Efe aus dem Nachbarhaus beobachtete von seinem Küchenfenster, wie Rauch und Flammen aus dem Hinterhof stiegen. „20 Meter weiter links, dann hätte es uns erwischt“, meint er fassungslos. Schon länger hatten er und seine Frau sich überlegt, mit der einjährigen Tochter in eine größere Wohnung zu ziehen. Jetzt wollen sie so bald wie möglich weg von hier, „raus aus der Einflugschneise“. DF, ALL