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: SILKE BURMESTER über das Foto zur Feder

Spieglein, Spieglein an der Wand

Kann sich irgendjemand an die Zeiten erinnern, in denen Der Spiegel noch ohne Autorennennung seine Artikel veröffentlichte? Nein, nicht wegen der alten Nazis, die dort schrieben, sondern weil die Person hinter dem Produkt zurücktrat. Weil der Inhalt mehr zählte, als die Profilierung des Individuums. Das waren natürlich harte Zeiten für die von Gott gesandten Schreiberlinge des damals noch konkurrenzlosen Nachrichten-Magazins. So viele tolle Artikel, so viele kluge, wegweisende Gedanken, so viel Aufdeckungs-Journalismus und nie der eigene Name darunter! Nicht mal von den tollen Schreibern. Höchstens von den ganz tollen. Doch seit Stefan Aust hat das ein Ende. Namen stehen unter den Artikeln – manchmal sogar die von Frauen.

Doch Namen sind Schall und Rauch, angesagt sind Lichtbilder von Autoren und Autorinnen. Um sich zu abzugrenzen. Um zu zeigen, wer man ist und was man hat. Um sich „ein Gesicht“ zu geben. Aber will, soll, muss man dieses Gesicht wirklich sehen? Wäre es nicht viel schöner, wenn der Dienstleister beflissentlich im Hintergrund bliebe, statt auf „Du und Du“ zu machen?

Darauf läuft es doch hinaus, dass der journalistische Mensch aus der Freiheit des Unbekannten heraus an das Tageslicht des Miteinanders gezerrt wird. Die nette Woche etwa schmückt ihre Artikel seit neuestem mit Autorenfoto. Und als sei das nicht genug, imitiert man den gekrampften Kommunikations-Versuch von Max und liefert die E-Mail-Adresse gleich mit. Als hätte eine Autorin, ein Autor nicht schon genug Arbeit, sollen sie jetzt auch noch den großen Kommunikator spielen, damit der lesende Mensch sich ganz nah fühlt, eingebunden, ernst genommen. Oder die FAZ, die ebenfalls versucht, die Leser-Blatt-Bindung mittels Bild zu erhöhen. Natürlich kommt das Hochplateau der Tagesunterhaltung nicht mit einem schnöden Foto daher. Nein, bei der FAZ lässt man zeichnen. Allerdings nicht in der Tradition eines Charles M. Schulz, sondern wie vor Gericht. Kantige, schwarze Striche auf weißem Grund. Vielleicht hat das aber auch damit zu tun, dass die mühsam der SZ abgeworbenen Super-Schreiber echt nicht so toll aussehen. Wir wollen jetzt keine Namen nennen, das wäre unfair. Natürlich könnten wir – ganz journalistische Beweispflicht – Fotos zeigen. Aber das lassen wir lieber. Sonst wäre ja kein Platz mehr für mein eigenes Foto und die taz-eigene Leser-Blatt-Bindung.