Militanz statt starrer Parteidisziplin

Während die rechtsextreme NPD auf das Verbot durch das Bundesverfassungsgericht wartet, werden die Freien Kameradschaften immer aktiver. Sie rekrutieren ihre Mitglieder erfolgreich unter Skinheads und rechten Jugendlichen

Sie nennen sich „Siegener Bärensturm“, „Nationaler Widerstand Stuttgart“ oder „Kameradschaft Germania“: die so genannten Freien Kameradschaften, von denen es nach offiziellen Angaben der Verfassungsschutzämter rund 150 in ganz Deutschland geben soll.

In den letzten Jahren hat ihre Bedeutung für die rechtsextreme Szene regional erheblich zugenommen. Insbesondere in Norddeutschland, aber auch in Brandenburg und in einigen Berliner Stadtbezirken haben die Kameradschaften die NPD längst in den Schatten gestellt. Vor allem rechtsextreme Skinheads, von denen in Deutschland im vergangenen Jahr offiziell über 12.000 gezählt wurden, fühlen sich zu den Kameradschaften hingezogen: Hier wird ihnen die ganze Palette einer geschlossenen rechten Erlebniswelt geboten: gemeinsame Konzertbesuche, so genannte Kameradschafts- und Liederabende, größere und kleinere Demonstrationen oder Flugblattverteilaktionen vor dem örtlichen Supermarkt. Aber auch rechte Kneipen, so genannte nationale Fußballturniere oder Tätowiershops gehören inzwischen dazu: Die Kameradschaften verbinden politische Organisierung mit einem eng gefassten Netz sozialer Kontrolle und Zugehörigkeit. Ihr offensives Auftreten – etwa bei kommunalen Veranstaltungen im nördlichen Vorpommern – macht sie mancherorts längst zu lokalen Machtfaktoren – vor allem in der Jugendszene.

Ideologisch lassen sich die meisten Kameradschaften auf einen einfachen Nenner bringen. Sie orientieren sich am Nationalsozialismus und der NSDAP, propagieren extremen Antisemitismus und Rassismus. Ganz direkt formuliert es beispielsweise die Berliner Kameradschaft Germania. Die sieht sich in der Tradition der „politischen Soldaten“ der nationalsozialistischen SA. Ihre Militanz und ihr Aktionismus erscheinen vielen jugendlichen Rechtsextremen wesentlich attraktiver als die starre Parteidisziplin der NPD.

Nach außen hin wird zwar der Eindruck eines losen und informellen Zusammenschlusses erweckt. Doch intern sind die Hierarchien durchaus festgeklopft. Zu den bundesweit führenden Köpfen zählen die Hamburger Neonazis Christian Worch und Thomas Wulff sowie eine Hand voll langjähriger Neonaziaktivisten, die sowohl in West- als auch in Ostdeutschland aktiv sind. Noch warten sie den Ausgang des NPD-Verbotsverfahrens ab. Dann wollen sie das Erbe antreten. HEIKE KLEFFNER