Bauchlandung für George W. Bush

Nach dem Verlust der Mehrheit im US-Senat wächst der Druck auf Präsident Bush, von seiner Rechtsaußenpolitik wieder in die Mitte einzuschwenken. Die Republikaner haben die Kontrolle im Kongress verloren und bangen nun um die Einheit der Partei

von BERND PICKERT

Dass es so schnell gehen würde, hatte niemand erwartet. Nur vier Monate nach seinem Amtsantritt hat der konservative US-Präsident George W. Bush keine Mehrheit mehr im Senat. Nach dem Parteiaustritt des Senators Jim Jeffords aus Vermont geht die fragile Mehrheit (50 zu 49 zu 1 Stimmen) an die Demokraten über, die mit Tom Daschle den neuen Mehrheitsführer stellen und den Vorsitz aller Senatsausschüsse übernehmen werden.

Für Präsident Bush ist Jeffords’ Parteiaustritt ein echter Schlag. Bush hatte noch im Wahlkampf verkündet, er werde während seiner Amtszeit auf überparteiliche Zusammenarbeit setzen und den Konsens suchen. Tatsächlich waren die ersten Monate seiner Regentschaft davon geprägt, dass sich selbst in seinem eigenen Lager die moderaten Kräfte von den rechten Hardlinern ausgegrenzt sahen. Der Austritt Jeffords’ ist davon beredter Ausdruck. Der demokratische Senator Joseph Lieberman, im vergangenen Jahr Vizepräsidentschaftskandidat unter Al Gore, sagte: „Der Präsident muss zur Mitte zurückkehren, von wo er seinen Wahlkampf geführt hat und weg vom rechten Rand, von dem aus er regiert hat.“

Die Demokraten geben sich keine große Mühe, ihre Freude über die neu gewonnene Mehrheit zu verbergen – und buhlen Presseberichten zufolge bereits eifrig um weitere Aus- oder Übertritte moderater Republikaner, etwa des Senators Lincoln Chafee aus Rhode Island.

Zwar kündigte der zukünftige Mehrheitsführer Tom Daschle seinerseits an, die Geschäfte des Senats konstruktiv und im Sinne der Sache führen zu wollen – aber wer die Möglichkeit zur Blockade hat, dem gehen solche Ankündigungen leicht von der Hand. Tatsächlich allerdings muss auch Daschle sich bemühen, die eigenen Reihen geschlossen zu halten, hatten doch in den letzten Monaten immer wieder etliche Demokraten mit der republikanischen Mehrheit gestimmt.

Der Vorwurf, die republikanischen Anliegen schlecht gemanagt und den Austritt Jeffords’ nicht verhindert zu haben, hängt jetzt bleischwer am bisherigen Mehrheitsführer Trent Lott. Der republikanische Fraktionschef ließ zwar wissen, er sei nicht der Meinung, dass die Partei eine neue Führung brauche – ob die Partei das aber auch so sieht, bleibt zunächst offen.

Im Weißen Haus waren die Mitarbeiter der Bush-Administration zunächst bemüht, business as usual vorzutäuschen – doch konnten sie kaum darüber hinwegtäuschen, dass die veränderten Mehrheitsverhältnisse die Vorhaben der neuen Regierung und die Geschwindigkeit, mit der sie umgesetzt werden können, entscheidend verändern – von den zahlreichen Berufungen von Regierungsbeamten, deren Bestätigung durch den Kongress noch aussteht, bis zu den großen politischen Vorhaben Bush-Regierung – von der Raketenabwehr zur Bildungspolitik, von Energiewirtschaft bis Umwelt. Dass es Bush gerade noch – und nach erbitterten Verhandlungen mit der Stimme des dissidenten James Jeffords – gelungen war, ein wenn auch abgespecktes riesiges Steuersenkungspaket durch den Kongress zu bringen, ging angesichts der für die Regierung düsteren Perspektiven beinahe unter.

Der Parteiaustritt Jeffords’ erscheint wie eine Quittung für die Ignoranz, die Bush und sein Team dem Wahlergebnis und seinem Zustandekommen entgegegen gebracht hatten. Mit Appellen und rüden Drohungen hatte Bush versucht, die republikanischen Mandatsträger auf seinen Rechtsaußenkurs einzuschwören. Das war auch bei jenen schlecht angekommen, die angesichts schwankender Mehrheiten in ihren Bundesstsaaten um ihre Wiederwahl bangen müssen – etwa republikanische Senatoren aus Bundesstaaten, in denen Al Gore die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte.

So ließen gestern nicht nur in den traditionell den Demokraten zugeneigten Medien der Ostküste wie Washington Post oder New York Times die Kommentare durchaus Schadenfreude darüber erkennen, dass Bush schon nach einem guten Vierteljahr eine derartige Schlappe einstecken musste.

Die Situation allerdings, gegen Mehrheiten im Senat oder im ganzen Kongress regieren zu müssen, ist in den USA nicht neu. Allgemein war damit gerechnet worden, dass spätestens bei den Teilwahlen im Herbst 2002 die Kontrolle an die Demokraten übergegangen wäre. Jetzt wird Bush gezwungen sein, schon vorher eine langsamere Gangart einzuschlagen. Seine Sturm-und-Drang-Zeit ist nach nur vier Monaten vorüber.

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