: Sachsen geprellt
Landesrechnungshof hat die Mietaffäre Biedenkopf geprüft und bescheinigt dem Freistaat Verluste. SPD fordert nun auch Rücktritt
LEIPZIG taz ■ Bislang war die Lage für Sachsens Ministerpräsident glasklar. „Was da gegen mich alles vorgebracht wird, ist nichts anderes als eine bundesweite Medienkampagne“, urteilt Kurt Biedenkopf. Am Freitag stellte der Sächsische Landesrechnungshof seinen Prüfbericht vor, der dem widerspricht. Auf allein 80.000 bis 100.000 Mark jährlich beziffern die Rechnungsprüfer die Summe, die dem Freistaat durch die private Nutzung des Dienstpersonals in Biedenkopfs Amtswohnung Schevenstraße entstehen. „Derartige Kosten dürfen weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft vom Freistaat getragen werden“, erklärte Rechnungshof-Präsident Hans-Günther Koehn.
Dem Bericht zufolge müsste der Mietpreis statt 8,15 Mark pro Quadratmeter bei mindestens 13 Mark liegen. „Das hat eine Arbeitsgruppe der Staatskanzlei schon 1997 ermittelt“, so Koehn. Biedenkopf habe also seitdem 32.000 Mark zu wenig gezahlt. Zudem sei die Mietfläche zu gering berechnet worden. „Nach unserer Auffassung ist sein Arbeitszimmer hinzuzurechnen.“ Auch die kostenlose Überlassung der Amtswohnung bis 1997 kritisierte der Rechnungshof, wenngleich er Nachforderungen für rechtlich zweifelhaft hält. Summiert erreichen die Zahlen die Millionengrenze. „Nachträglich kann man juristisch vom Ministerpräsidenten nicht mehr verlangen, als in seinem Mietvertrag steht“, bilanzierte Koehn. Eine andere Frage sei, ob sich der Mieter Biedenkopf auf eine freiwillige Rückzahlung einlasse.
Vor Monatsfrist hatte die Staatskanzlei einen eigenen Prüfbericht vorgestellt. Koehn vermied es gestern, den „Brüggen-Bericht“ als „zurechtfrisiert“ zu bezeichnen. Danach hatte Biedenkopf nicht zu wenig, sondern zu viel Miete gezahlt.
„Der Bericht des Landesrechnungshofs ist ein Schlag ins Gesicht des Ministerpräsidenten und führt seine Verteidigungsstrategie ad absurdum“, erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle gegenüber der taz. Biedenkopf könne nun nicht länger behaupten, die gegen ihn und seine Frau erhobenen Vorwürfe seien eine von der SPD inszenierte Medienkampagne. „Der Landesrechnungshof ist schließlich keine sozialdemokratische Einrichtung.“ Die CDU müsse nun endlich ihren Stall ausmisten, Biedenkopf bleibe angesichts der Schwere der Vorwürfe nur der Rücktritt. NICK REIMER
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