Liebe als Notwendigkeit

■ Anrührend und ausführlich, ohne in sentimentalen Epen-Kitsch abzugleiten: „Elbow“ aus Manchester im Logo

Manchester. Warum immer wieder Manchester? „Vielleicht liegt's am Wetter“, zuckt Guy Garvey mit den Schultern, „vielleicht ist es so simpel“. Guy Garvey ist der Sänger und Texter von Elbow, dem neuesten Punkt auf einer langen Linie, die vielleicht bei Joy Division begann: einer Linie von Bands aus Manchester, die aus Melancholie, Trauer und Resignation große Popmusik haben entstehen lassen. Smiths, Fall, New Order, Happy Mondays, Stone Roses, Oasis – so unterschiedlich deren Musik auch klang, vielleicht eint sie ein ähnliches Grundgefühl als Ausgangspunkt.

Vielleicht ist es aber auch viel mehr. „Manchester hatte immer eine Atmosphäre zwischen kultureller Freiheit und Werten der Arbeiterklasse“, erklärt Garvey, „aber dank Frau Thatcher ist dieses Gemeinschaftsgefühl inzwischen zerstört.“ Zerschlagene Gewerkschaften, die Pubs sind zu lauten Themepubs geworden, die kein Gespräch mehr erlauben. Und in Vorstädten wie Bury gibt es kaum mehr Arbeit, bis dahin reicht kein Strukturwandel.

Elbow kommen aus Bury, seit zehn Jahren spielen sie zusammen. „In persönlichen Krisen und in beschissenen Jobs war die Band immer meine Hoffnung“, sagt der Sänger. Nach Jahren, in denen der Erfolg von Oasis die Musikszene der Stadt überschattete, feiert die Popstadt Manchester jetzt eine Renaissance: der schrullige Songwriter Badly Drawn Boy ist wieder im Kommen, dazu Bands wie Doves, I Am Kloot oder Alfie.

„Wir kennen einander, manche sind echte Freunde“, erzählt Garvey, „und das Wichtigste ist: Wir empfinden einander nie als Konkurrenten.“ Im Gegenteil: Man hilft sich, es herrscht fast eine Art gewerkschaftlicher Geist. Die Freundschaft zwischen Musikern als Community-Ersatz? „Ja, so könnte man das nennen.“

Doch diese Gemeinschaft verdeckt nicht den Blick auf die Qualität des Einzelnen. Elbows's Debütalbum Asleep In The Back ist eine große Platte, die in der britischen Presse nicht nur mit Radiohead, sondern auch mit Talk Talk verglichen wurde. Die Songs machen nicht Halt an der Vier-Minuten-Grenze, sondern dürfen ihre emotionale Kraft weiter entfalten, ohne in Epen-Kitsch abzugleiten.

Und Guy Garveys Texte sind hervorragend. Oft singt er von Liebe, aber von einer Liebe, die sich gegen Widerstände durchsetzen muss: von der Liebe eines Junkiepärchens, von der Liebe zwischen alten Menschen. „Ich bin mal gefragt worden, ob ich Liebe eher als Notwendigkeit, denn als Begehren ansehe“, überlegt Guy Garvey, „und da ist wohl etwas dran.“

Mit der Liebe als Grundmotiv kann er von gesellschaftlichen Verhältnissen singen und trotzdem anrühren. So wie im abschließenden „Scattered Black And Whites“, wo er in alten Familienalben blättert. „All meine sechs Schwestern haben geweint, als sie das Stück gehört haben“, lächelt Garvey. „Wow, was für ein Ergebnis! Volle Punktzahl!“ Felix Bayer

Elbow: Mo, 28.5., 21 Uhr, Logo