Die Selbstauslöschung

■ Die Regisseurin Beatrice Arnim hat Dea Lohers Drama „Adam Geist“ in Oldenburg beinahe halbiert. Trotz der Straffung wirkt das Stück vom Soldat-Mörder langatmig

Dieser Typ da putzt akribisch seine Motorsäge. Er scheint ziemlich düster drauf zu sein, einer von diesen Amokläufern, von denen man so viel in der Zeitung liest. Tatsächlich murmelt er wirres Zeug wie „Das Leben abstreifen möchte ich“, und hinter diesem Typen liegt eine Frau im Sarg, der dunkel getäfelte Raum drückt die Menschen zusammen, Kerzen brennen, Maria lächelt im Heiligenschrein. Es riecht förmlich nach Eskalationen, nach Katastrophe. Trotzdem wird es noch ein weiter Weg bis „Adam Geist“ – so heißt dieser junge Mann in dem gleichnamigen Stück von Dea Loher – nach einer einzigen Verlustgeschichte in Jugoslawien landet: als Söldner im Krieg.

In der Inszenierung von Beatrice Arnim für das Oldenburgische Staatstheater musste die auf etwa vier Stunden angelegte Vorlage Federn lassen. In nur zwei Stunden erleidet der junge Adam seinen Passionsweg, an dessen Ende er dann tatsächlich einen Mord begeht: Um einen kleinen Jungen vor dem Mord durch einen Mitsoldaten zu schützen, knallt er seinen Kameraden ab. Deklamiert: „Das Gute zu wollen ist keine Entschuldigung, wenn man das Böse tut.“

Und es scheint diese Verkürzung des Stoffes zu sein, die die Oldenburgische Fassung so problematisch macht. Denn die Ereignisse folgen einer Logik, die derart mechanisch ablaufend keinerlei Aufklärung mit sich bringt, keine tieferen Fragen stellt, sondern einfach nur moralisierend wirkt. Damit wird das ganze dann auch ungenau und streckenweise ärgerlich. Denn wie kommt man zu dieser Aussage, dass ein vernachlässigter Junge, der seinen Vater nicht kennt, der auf der Sonderschule war, der eine Frau vergewaltigt und offenbar umbringt, der zum Drogendealer wird und der sich dann als eigentlich schwul entpuppt, notgedrungen im Kriegsgeschehen als Hort der Männlichkeit landet?

Natürlich ist dieser Leidensweg an sich plausibel, denn Adam durchleidet einen Weg der Identitätsfindung, ohne Vatervorbild. Und Martin Wangler wirkt in derTitelrolle in der Tat hin- und hergeworfen, unfähig, sich zu entscheiden, getrieben von Verlust zu Aggression, gedemütigt ein ums andere Mal von der männerbündelnden Kumpanei seiner Umgebung. Dem fügt er sich so konsequent nicht, am Ende löscht er sich selbst aus und schüttet sich im letzten Bild Benzin über den Kopf.

Es gibt keine Erlösung durch die Frau, die ihm als Maria auf einer Prozession erscheint: Das von ihm ermordete Mädchen tritt als Trash-Heilige auf, mit blinkenden Lämpchen umkränzt. Ja, und dann ist da der Chor, in der Tradition des Dramas die Geschichte fortleitend, bei Brecht und Müller immer auch sozialer und moralischer Kommentar. Und da dachte man sich wohl, das könne man etwas aufpeppen, und so wurden aus den Feuerwehrmännern schwankende Trunkenbolde. Ganz so dramatisch sollte es dann wohl doch nicht sein.

Das stört, denn ganz abgesehen von diesem Slapstick wurde den einzelnen Szenen nicht die Kraft belassen, die sie in sich tragen: Die Vergewaltigung, der Mord werden nur mal eben angedacht, schon geht das Licht aus. Dieses Immer-in-der-Andeutung-bleiben prägt beinahe das gesamte Spiel. Das macht die Inszenierung – trotz der erreichten Kürze – tatsächlich schwer, langatmig, denn derart verschont zu werden von einem Drama lässt ein schales Gefühl und den Eindruck, irgendwie die Schulbank gedrückt zu haben.

Marijke Gerwin

Nächste Aufführung: 12.6, 20 Uhr.