piwik no script img

ein wettbewerb in interkonfessioneller hexenjagd von RALF SOTSCHECK

Niemand heuchelt so gut wie die katholische Kirche in Irland. Vor kurzem wurde Dublins Oberpfaffe Desmond Connell von seinem Boss in Rom zum Kardinal ernannt. Weil Premierminister Bertie Ahern der anderen großen korrupten Institution Irlands vorsteht, der Partei Fianna Fáil, gab er eine Party zu Ehren Connells.

Der wandte sich wie ein Aal, da Ahern seit Jahrzehnten in Sünde lebt: Er ist von seiner Frau getrennt und wohnt mit seiner Freundin Celia Larkin zusammen. Die offiziellen Einladungen für die geistliche Bagage waren unterschrieben mit „Premierminister und Celia Larkin“, und so blieben sie alle daheim. Nur Connell nicht, weil es ja sein Staatsempfang war und er außerdem einen larkinfreien persönlichen Brief von Ahern bekommen hatte.

In seiner Rede holte er dann aber den moralischen Zeigefinger heraus und sprach von der „grundlegenden Verehrung für das Zuhause, das von unserem Schöpfer durch Ehe und Familie zum Zentrum menschlicher Intimität entworfen wurde und wovon die ganze Zukunft unserer Gesellschaft abhängt“. Eine Attacke auf den Premier und seine Freundin, frohlockte die Presse, die eine Neuauflage des uralten Konflikts zwischen Staat und Kirche witterte.

Um in Sachen Moral nicht von Connell ausgestochen zu werden, gab der Protestantenchef, Dekan Robert McCarthy von der Dubliner St.-Patrick’s- Kathedrale, ungefragt seinen Senf dazu. Er besuche keine Empfänge, bei denen auf der Einladung Celia Larkins Name neben dem des Premierministers stehe, sagte die Knalltüte.

Früher musste man für diesen Job noch etwas Resthirn nachweisen. Ein ehemaliger Dekan von St. Patrick’s hatte sogar eine ganze Menge davon, es ist schon etwas länger her: Jonathan Swift, der beißende Satiriker, der in der Kathedrale beerdigt ist und bei dem Flachsinn, den sein Nachfolger verzapft, vermutlich im Grab rotiert.

Connell und McCarthy – welch passender Name! – sind offenbar in einen Wettbewerb der interkonfessionellen Hexenjagd getreten. Wer ist der Sauberste im Land? Die beiden Moralhüter sind vor anderthalb Jahren schon einmal aneinander gerasselt. Damals schlug McCarthy vor, eine katholische Messe in der St. Patrick’s Cathedral zu zelebrieren. Als die Presse davon Wind bekam, bestritt McCarthy, dass dies als Einladung für Connell gemeint war. Der wunderte sich: „Schwer zu verstehen, was er damit meinte und wie es umgesetzt werden soll, wenn kein katholischer Pfarrer dabei sein kann.“

Fast wäre Gras über die Sache mit dem peinlichen Premier und seiner Konkubine gewachsen, da meldete sich die Staatssekretärin im Außenministerium Liz O’Donnell zu Wort. Die Worte, die sie benutzte, sind aus dem katholischen Sprachgebrauch verbannt: pädophile Priester. „Die Kirchenvertreter sollten lieber an ihre eigenen Probleme mit der Moral denken, bevor sie sich lautstark in anderer Leute Privatangelegenheiten einmischen“, sagte O’Donnell. Vor zehn Jahren hätte sie das – im übertragenen Sinne – den Kopf gekostet, und vor 50 Jahren vermutlich im wörtlichen Sinn. Connell hat das Pech der späten Geburt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen