: Eiserne Karrieristen
Der 1. FC Union Berlin will nach oben. Das steht fest. Doch der Verschleiß könnte früher eintreten als erwartet
BERLIN taz ■ Nach dem Spiel stand Georgi Wassiliev etwas verdattert herum. Die anderen feierten. Er grübelte und grummelte. Gewinnen wollte der bulgarische Fußballlehrer. Er hatte sogar gesagt, er, der „General“, verliere kein Pokalfinale.
Dass es trotz eines 0:2 Anlass zur Freude gab, versuchte ihm Präsident Heiner Bertram beizubringen. Der stürzte sich auf den Trauerkloß und klopfte des Trainers Schultern wie einen Teppich, der zu viel Staub angesetzt hat. Dann folgte eine Umarmung, die Wassiliev nur Widerwillig zuließ. Wie gesagt: Er wollte siegen. Bertram reichte der Gewinn von „Image“. Union habe sich als „sympathische Mannschaft“ verkauft, sich „als gut spielender Fußballverein“ präsentiert.
Für Bertram war das Pokalfinale im Olympiastadion eine Art Vorstellungsgespräch bei den Großen des Fußballs. Auf der Tribüne saßen sie allesamt, die beim Eintritt in die VIP-Lounge nicht erst ihren Ausweis herzeigen müssen. Und alle lobten sie den 1. FC Union herzerfrischend diplomatisch. Gerhard Schröder sprach von „Klassefußball“. Gerhard Mayer-Vorfelder war offenbar auch recht angetan.
Bertram ist überzeugt, dass sein Verein, der in der kommenden Saison bereits zweitklassig kickt, in die Erste Liga aufsteigen kann. Auch Sponsor Michael Kölmel, Chef der Kinowelt AG, rechnet sich Großes aus. Und über mangelndes Selbstbewusstsein klagt Wassiliev ebenfalls nicht. „Wir haben mit dieser Mannschaft das Zeug, erstklassig zu werden, noch nicht im nächsten Jahr, aber in naher Zukunft“, sagte er. Ob er dann noch Union trainiert, ist zumindest fraglich, denn Bertram wird nicht müde, gegen Wassiliev zu sticheln. Einmal seien die Sprachkenntnisse ungenügend, ein andermal ist er „keiner, der perspektivisch planen kann“ (Tagesspiegel).
Mit Bertrams lässig-geschäftsmäßiger Attitüde verträgt sich das knorrige Auftreten Wassilievs schlecht. Wassilievs Vertrag wurde auch nur verlängert, weil er den Aufstieg in die Zweite Liga schaffte. Sonst hätte der jetzige Kotrainer, Ivan Tischanski, die Mannschaft geführt. Bertram berichtet in kleiner Runde schon mal süffisant, die „Muffelei“ des Bulgaren störe ihn.
Noch weiß keiner so recht, welche Hindernisse auf dem Weg zu den eigenen Ansprüchen überwunden werden müssen. Immerhin versucht Union Bodenkontakt zu halten. „Dortmunder Verhältnisse haben wir noch nicht“, sagte Bertram kokett. Für viele Anhänger verändert sich aber schon jetzt zu viel zu schnell. Am Samstag sind sie durch die Stadt gezogen, um dagegen zu demonstrieren, dass das Stadion „An der alten Försterei“ hochsteigenden Plänen geopfert wird. In der Zweiten Liga kann dort gespielt werden. Eine darüber nicht, wie auch im Europapokal, in dem Union demnächst startet.
Bertram zeigt wenig Verständnis für das Beharrungsvermögen der Anhänger. Im Stadion in Berlin-Köpenick gibt es kaum Sitzplätze, nur 1.500. Zu wenig, um große Spiele auszutragen. „Der Verein muss so viel Kapazität wie möglich nutzen“, sagte Mannschaftskapitän Steffen Menze mit Sinn für ökonomische Details. Dennoch wird für so manchen der Weg ins Olympiastadion oder in den Jahn-Sportpark, zu DDR-Zeiten Spielstätte des verhassten BFC Dynamo, ein Gang nach Canossa.
Überdies befürchten die Eisernen Unioner „Münchner Verhältnisse“. Also Schischi, Cheerleader und Fußballbusiness. Cheerleader „mit diesem Glitzerfummel“ (Bertram) soll es nicht geben. In den anderen Punkten muss noch verhandelt werden.
Union ist auf dem Sprung. Wohin, steht noch nicht fest. Jörg Böhme, der mit seinen zwei Toren das Spiel entschied, wünschte Union bei seiner „professionellen Karriere“ (Wassiliev) alles Gute: „Ich hoffe“, sagte er, „dass es keine Probleme gibt, die sind ja vorgeschädigt.“
MARKUS VÖLKER
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