Ist der Baby-TÜV okay?

Längst nicht nur Exgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) fordert eine kritische Überprüfung der Pränataldiagnostik

ERLANGEN taz ■ Der seit einigen Wochen mit viel Emotionen geführte Streit über Embryonenforschung und die Zulässigkeit des Gen-Checks von Reagenzglasembryonen bringt auch die künstliche Befruchtung und die derzeitige Praxis der Pränataldiagnostik (PND) unter Rechtfertigungsdruck. Auf so gut wie jeder Veranstaltung des Erlanger Kongresses „Medizin und Gewissen“, auf der Rechte und Menschenwürde von Embryonen diskutiert wurden, gab es – zum Teil auch sehr heftige – Kritik an den mittlerweile zur Routine gewordenen Reproduktionstechniken. Auch bei der Pränataldiagnostik werde schließlich wie bei der Präimplantationsdiagnostik aufgrund von Behinderungen selektiert.

Von vielen Leuten höre man derzeit, so der Hamburger Psychiatrieprofessor Klaus Dörner, die künstliche Befruchtung (IVF) sei „abgehakt, gesellschaftlich akzeptiert, sie gehöre inzwischen zu unser Kultur“. Dörner, der dem noch von der einstigen Ministerin Andrea Fischer eingesetzten Ethikbeirat des Bundesgesundheitsministeriums angehört, will sich damit nicht abfinden. „Es klingt wie absurdes Theater, aber wir müssen den Gedanken erwägen, das die IVF ein falscher Weg war.“

Dörner führte zwei Optionen an: Entweder die IVF werde verboten. Oder sie bleibe erlaubt, „dann aber schaffen wir auch den Raum für die Anwendung der PID“. Unterstützung erhielt er von der grünen Exgesundheitsminsterin: Es sei ein Fehler, ausschließlich über PID zu sprechen, sagte Andrea Fischer: „Wir müssen den ganzen Bereich diskutieren.“ Auch wenn man das „Rad nicht zurückdrehen“ könne: Es sei Zeit für eine kritische Überprüfung der Pränataldiagnostik, meinte Fischer. Einst als medizinische Maßnahme eingeführt, habe sich die PND im Lauf von zwei Jahrzehnten zu einem Screening-Verfahren entwickelt. „Baby-TÜV“, nannte es ein Teilnehmer. Ob seine Ausweitung damit zu tun hat, dass sich damit „Geld verdienen“ lässt? Der Bonner Humangenetiker Peter Propping vermutet es.

Das Thema Pränataldiagnostik bewegt auch die neu gegründete Bundestagsinitiative (siehe Interview). Gründungsmitglied Wolfgang Wodarg (SPD) geht davon aus, dass sich dem überfraktionellen „Forum Menschenwürde“ viele Parlamentskollegen anschließen werden: „So 200 bis 300, das wäre nicht schlecht.“ WOLFGANG LÖHR