Laute Frauen in der Kirche

■ Der Domorganist Wolfgang Baumgratz findet in den Werken von Komponistinnen viele Schätze. Jetzt stellt er vier Stücke vor

Schon die Spurensuche nach historischen Komponistinnen ist trotz vieler Forschungsarbeiten und praktischen Aktivitäten noch immer nicht so einfach, wie gerne behauptet wird. Noch schwieriger ist es, Komponistinnen zu finden, die Werke für Orgel geschrieben haben. Zu dem jahrhundertelang wirksamen Tabu, mit dem schöpferische Kreativität Frauen regelrecht untersagt wurde, und der Behauptung aus dem 19. Jahrhundert, dass sich das Instrument Orgel „nicht mit den Grazien des weiblichen Geschlechtes vertrage“ (der Pädagoge Karl Heinrich Heydenreich), kommt in diesem Fall noch das „Gebot“ aus dem vierten Jahrhundert: Die Frau schweige in der Kirche.

Jedoch bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel: Als eine der ersten, die sich schon im Studium im Fach Komposition und Orgel durchsetzten, gilt die Schwedin Elfrida Andrée (1841-1929). Nach hartnäckigem Kampf wurde sie im Alter von 26 Jahren Organistin in Göteborg. Als erste Frau schrieb sie eine Orgelsinfonie schrieb, für die sie 1894 im Brüsseler Kompositonswettbwerb den ersten Preis erhielt.

Andrées erste Orgelsinfonie spielt nun der Bremer Domorganist Wolfgang Baumgratz am Donnerstag in einem Konzert mit Orgelwerken von Komponistinnen: „Ihre Musik ist spektakulär, in jeder Hinsicht. Das hat das ganze neuzehnte Jahrhundert nicht aufzuweisen, eine derart verinnerlichte Haltung mit einer virtuosen riesigen Außenwirkung.“

Wolfgang Baumgratz hat auch noch andere Komponistinnen gefunden, weil er der Meinung ist, dass es hier – sucht man nur genug – einen „ganz wichtigen Repertoirebereich“ gibt, mit dem „gängige Pfade vermieden werden“. Zum Beispiel Elsa Baraine, deren Fuge (1928) einen jüdischen Synagogengesang zum Thema hat. „Wo findet man so etwas?“ Elsa Baraine, 1910 geboren und zuletzt Professorin für musikalische Analyse am Conservatoire in Paris, erhielt 1929 wie vor ihr Lili Boulanger den begehrten „Prix de Rome“.

Nicht fehlen darf in diesem Kontext Clara Schumann, von der es allerdings keine originale Orgelmusik gibt. Baumgratz spielt eine eigene Bearbeitung ihrer drei Präludien für Klavier.

Vollständig wird das Programm durch Musik von Cécile Chaminade (1857-1944), die über 350 Werke schrieb. Schon im Alter von acht Jahren komponierte die Seemannstochter Musik für die Kirche, durch die kein geringerer als Hector Berlioz auf ihre Begabung aufmerksam wurde und die Eltern überredete, der Tochter eine musikalische Ausbildung zukommen zu lassen. Ihr Flöten-Concertino gehört heute zum internationalen Standardrepertoire der FlötistInnen. Im Jahr 1894 war im nicht eben progressiven „Musikalischen Wochenblatt“ in Paris zu lesen: „...wenn nicht alles trügt, so dürfte Fräulein Chaminade den alten Wahn vernichten, dass das weibliche Geschlecht nicht berufen sei, in der musikalischen Produktion Bedeutsames zu leisten“.

Und über Cécile Chaminade gibt es von dem Musikkritiker Ambroise Thomas eine hirnwindige Bemerkung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen kann: „ Das ist nicht eine Frau, die komponiert, sondern ein Komponist, der eine Frau war.“ usl

Konzert am Donnerstag, 31. Mai, um 19 Uhr an der Sauer-Orgel im Dom.