Mit Bremens Goethe geht es aufwärts

■ Das hiesige Sprach- und Kulturinstitut steht bei den Deutschlernern dieser Welt hoch im Kurs. Nur die Bremer kriegen nichts mit davon

Dass der Leiter eines Goethe-Instituts nicht den ganzen Tag „Faust“ liest, haben wir geahnt. Aber dass er auch bang das aktuelle Börsengeschehen verfolgt, brachte erst die jüngste Pressekonferenz im Fedelhören 78 ans Licht. „Der starke Dollar und die von ihm abhängigen Währungen haben unsere Kurse wieder aufgefüllt“, resümiert der Bremer Institutsleiter Volker Marwitz. „Der Crash in Asien war hart für uns. Aber mit steigender Kaufkraft der Kunden zahlt sich auch unsere Serviceorientiertheit wieder aus.“

Mit dem Bremer Goethe geht es also aufwärts. Nachdem das Institut in den 90er Jahren erhebliche Nutzer-Rückgänge hatte, gibt es nun im Vergleich zum Vorjahr erstmals ein Plus von nicht unstolzen sechs Prozent. „Angesichts unserer historischen Talsohle von 1995 freuen wir uns über diesen Zuwachs sehr“, frohlockt der Leiter. Rund 800 Teilnehmer aus 60 Ländern haben sich im letzten Kursjahr mit den Tücken von deutscher Grammatik und bremischer Aussprache angefreundet.

Die Tendenz ist steigend. Derzeit präsentiert sich das Bremer Institut auf den 35.000 Titelseiten des Goethe-Magazins „Willkommen“, das weltweit verteilt wird – zumindest in allen 130 Goethe-Instituten, von Accra/Ghana bis Zagreb. Untertitel: „Wie im Märchen – Mit den Stadtmusikanten durch Bremen“. Dass dabei weniger das „Informieren über Deutschland“ (eine der satzungsgemäßen Aufgaben der Goethe-Institute) im Vordergrund steht als die Vermittlung eines „sonnigen Bremen-Bildes“ (Marwitz) – wer wollte es den Goethianern verübeln? Marwitz: „Wir müssen werben wie eine Firma, sonst kriegen wir unseren 2-Millionen-Etat nicht zusammen.“ Nur die Institute im Ausland erfreuen sich staatlicher Subventionen – mit denen sie fast 90 Prozent ihres Bedarfs decken.

Da habens die Inländer schwerer. So also mag der unbefangene Leser in Moskau oder Montreal von den abgedruckten Fotos ruhig auf Freiburghafte Wetterverhältnisse an der Weser schließen oder das Viertel als problembefreite Partyzone wahrnehmen. Diese „Kundenbindung“ funktioniert offenbar.

Aber was bekommen umgekehrt die BremerInnen von ihrem schon 20 Jahre alten Goethe-Institut mit? Nicht einmal den Taxifahrern ist dessen Existenz und Adresse ad hoc geläufig. „Beim Kontakt zu den Einheimischen gibt es ein Defizit“, räumt Marwitz ein. „Im Gegensatz zum Instituto Cervantes und zum Institut Français haben wir nur wenig Geld für öffentlichkeitswirksame Projekte.“ Und so erblickte auch die derzeitige (sehenswerte) Ausstellung von Schülerarbeiten zum Thema „Zeit“ (noch bis Ende August) das Licht der Goethe-Flure ohne publikumsträchtige Vernissage.

Immerhin sind zu den rund 300 Veranstaltungen pro Jahr ausdrücklich auch Nicht-Kursteilnehmer eingeladen. Ein integrativer Ansatz, dem aber der Zulauf fehlt. Doch die steigende Beliebtheit Bremens lässt auch den Wohnbedarf für die „Lerner“ (Goethe-Jargon) in die Höhe schnellen, könnte also neue Kontaktflächen schaffen. Händeringend sucht das Institut nach beherbergungswilligen BremerInnen. Wer ein Zimmer für zwei oder mehr Monate zur Verfügung stellen will, trifft mit Wahl der Nummer 360 810 auf erfreute Ohren. Und da wir uns gerade im „Europäischen Jahr der Sprachen“ befinden, wäre man somit sogar trendy.

HB