leben in funnyland
: YVES EIGENRAUCH über gründe der fußballliebe

das blech wird gezeigt

jetzt wird es aber eng. montag, der achtundzwanzigste. zehn uhr. endlich bin ich aufgewacht. gestern kamen wir erst gegen einundzwanzig uhr nach hause. wir sind den tag über nüchtern geblieben, konnten aber trotzdem nicht mit dem vorhaben beginnen, diese zeilen zu verfassen. die letzten sechsunddreißig stunden hatten zu viele spuren hinterlassen. die müdigkeit sollte siegen. nach dem enttäuschenden erfolg der letzten woche ist schalke pokalsieger geworden; und wir konnten die ereignisse so mitverfolgen, wie es uns am liebsten ist: nicht in der ersten reihe stehend!

für die leute, die nicht mit nach berlin fahren konnten, wurde das spiel live im parkstadion übertragen. zweiundfünfzigtausend sei die zuschauerzahl, hieß es am samstag. sonntag, kurz nach vier uhr: endlich rollt der sonderzug aus berlin kommend in den gelsenkirchener bahnhof ein. spieler, spieler-frauen und fans. die spieler dürfen zuerst aussteigen. während der einfahrt konnten wir die menschenmenge, die uns erwartete, erblicken. es sollte aber nur ein erahnen sein, das zu erlebende die erwartungen bei weitem übertreffen. friede, freude, eierkuchen. ein tieflader erwartete uns spieler, die ersten elf, die zweiten sieben, die tribünenspieler und natürlich auch die weitere mannschaft, von wegen trainer, therapeuten, manager, arzt, diplomsportlehrer, präsident, ökotrophologe und herr möllemann. wir sattelten auf, los ging es im schritttempo in richtung parkstadion. viiiiiiele menschen säumten unseren weg, schlossen sich dem umzug an. nicht enden wollender jubel, gesteigert durch jedes weitere zeigen des pokals. lachen, freude, tränen. jung, alt, mittel. gebildet, ungebildet. fast alle. auf bäumen, häusern, balkonen, masten. mit den ellenbogen auf die fensterbank gestützt, blickt das siebzigjährige paar aus dem fenster; tränen in den augen. in ihren augen spiegeln sich tränen wider. polizei, sicherheitsdienst und ordnungsdienst begleiten uns. lass es!? was soll ich beschreiben, das man hätte miterleben müssen, um sich ein bild machen zu können. noch der größte schilderer würde sich vergeblich mühen!

tausende menschen empfangen uns im stadion. das blech wird gezeigt, interviews geführt, und und und. und: später werden wir zu fuß nach hause gehen. ein letztes mal in nördliche richtung über den rasen des stadions laufen und ganz echt nicht darüber traurig sein, in berlin tribünenspieler gewesen zu sein. wir erklimmen die stufen der nordkurve, unserer nordkurve, sagen den noch verbliebenen fans jetzt und während des nach-hause-laufens worte. wir können das. wenn uns zehn leute anfassen wollen oder ein autogramm haben wollen, so sind das bei emile oder ebbe oder jörg so viele, dass sie sie enttäuschen müssen. zehn geht! mensch, person, persönlich. schön! auf dem weg durch den park treffen wir fans auf ihrem heimweg. hallo! ach, „nur“ dreißigtausend waren gestern da? tschüs, danke! gute heimfahrt, wohin auch immer es gehen mag.

jawohl, diese erlebnisse lassen dann auch wieder vergessen machen, dass sich einige spieler nach der niederlage in stuttgart haben von einigen menschen anpöbeln lassen müssen. darum lieben wir den fußball.

Fotohinweis: yves eigenrauch, 30, ist angestellter von schalke 04 und pokalsieger