Mit Barrikaden und Brandbomben

Erst einsetzender Regen beendet zwei Nächte rassistisch motivierter Straßenschlachten in der nordenglischen Stadt Oldham. Pakistanischstämmige und weiße Jugendliche stehen sich in diesem Ort schon seit längerem feindlich gegenüber

von RALF SOTSCHECK

In der Nacht zu gestern ist es im nordenglischen Oldham bei Manchester erneut zu Straßenschlachten zwischen weißen und asiatischen Jugendlichen gekommen. Ein pakistanischer Supermarkt brannte aus, eine Kneipe wurde schwer beschädigt. Die Polizei brauchte bis vier Uhr morgens, um die Situation unter Kontrolle zu kriegen. Dabei waren nach den Vorfällen von Samstagnacht Beamte in Kampfanzügen im überwiegend pakistanischen Glodwick-Viertel postiert worden.

Die Krawalle in Oldham begannen am Samstag um acht Uhr abends, nachdem sich ein weißer und ein pakistanischer Jugendlicher, beide 14 Jahre alt, in einem Imbissladen geprügelt hatten. Offenbar rief die Mutter des weißen Jugendlichen daraufhin per Handy Verstärkung herbei. Kurz darauf rückten zehn Männer an und attackierten Häuser, Geschäfte und Passanten in Glodwick. Hinzu kam, dass die Polizei nach der Prügelei im Imbissladen drei asiatische Jugendliche festgenommen hatte. Im Handumdrehen waren 500 asiatische Jugendliche auf der Straße und begannen ihrerseits einen Zerstörungsfeldzug. Sie bauten Barrikaden aus Autos, die sie anzündeten, und aus Einkaufswagen von einem Supermarkt. Die Gäste in der Kneipe „Leben und leben lassen“ mussten sich bis drei Uhr morgens verbarrikadieren, nachdem die Wirtschaft mit Ziegelsteinen und Brandbomben angegriffen worden war. Erst als es am frühen Sonntagmorgen zu regnen begann, beruhigte sich die Situation. Die Bilanz: 15 verletzte Polizisten, 17 verhaftete Jugendliche und Sachschaden in Millionenhöhe. Es waren die schlimmsten Unruhen in Großbritannien seit 15 Jahren. Umweltminister Michael Meacher, zugleich Abgeordneter für West-Oldham, sagte, die Krawalle seien durch zwei rassistische Zwischenfälle ausgelöst worden: Vorige Woche seien zwei pakistanische Kinder in der Schule verprügelt worden, ohne dass es Sanktionen gegen die Täter gegeben hätte. Und am Samstag sei ein asiatischer Supermarkt durch Brandbomben zerstört und das Wohnzimmerfenster einer schwangeren pakistanischen Frau eingeworfen worden, sagte Meacher.

Die asiatischen Jugendlichen sagen, dass sich die Unruhen bereits seit Jahren angedeutet hätten. Es komme in Oldham fast täglich zu rassistischen Übergriffen, doch die Opfer gehen nur selten zur Polizei, weil die Beamten ihrer Meinung nach parteiisch sind. So wurden 60 Prozent der 572 rassistisch motivierten Verbrechen im vergangenen Jahr von Weißen angezeigt. Dies hat damit zu tun, dass es in Oldham asiatische Jugendbanden gibt, die in ihre Straßen keine Weißen hineinlassen. Innenminister Jack Straw hatte Anfang des Monats sämtliche Demonstrationen in Oldham verboten. Das richtete sich vor allem gegen die Neonazis der National Front, die einen Marsch durch das Stadtzentrum geplant hatten. Bei den Wahlen am 7. Juni kandidieren in Oldham zwei Mitglieder der rechtsextremen British National Party.

Die Krawalle haben eine politische Kontroverse ausgelöst. Die Liberaldemokraten beschuldigten Tory-Führer William Hague, mit seinen Wahlkampfreden gegen Asylbewerber die Lage angeheizt zu haben. Die Konservativen wiesen das entschieden zurück, und selbst Jack Straw kam dem Oppositionsführer zu Hilfe.