Die Linke kann gewinnen

Italiens Mitte-links-Bündnis Ölbaum gewinnt die Kommunalwahlen in Rom, Turin und Neapel.Der Sieg gibt auch Aufschluss über die Gründe der Niederlage bei den jüngsten Parlamentswahlen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Es war wie nach dem Wahlsieg 1996: Um ein Uhr nachts drängten sich wohl zehntausend Menschen auf der Piazza Santi Apostoli im Zentrum Roms, schwenkten begeistert die roten und grünen Fahnen der Linksdemokraten und des Ölbaum-Bündnisses, feierten immer wieder mit „Walter, Walter!“-Sprechchören ihren Kandidaten Veltroni.

Dabei war Walter Veltroni diesmal nicht wie 1996 stellvertretender Ministerpräsident geworden, sondern bloß Bürgermeister Roms. Der Freudenkundgebung tat das keinen Abbruch, genauso wenig wie den zeitgleichen Siegesfeiern in Neapel, wo die Mitte-links-Kandidatin Rosa Russo Jervolino die Nase vorn hatte. Denn der Linken ist am Sonntag ein Stein vom Herzen gefallen: Die Pleite bei den Parlamentswahlen vor zwei Wochen drohte bei einem Verlust der wichtigsten Rathäuser des Landes an die Berlusconi-Rechte zum Desaster zu werden.

„Bringen wir die Linke auf null!“ Diese Parole hatte Gianfranco Fini von der postfaschistischen Alleanza Nazionale vor den Stichwahlen in über 70 Kommunen – unter ihnen Rom, Neapel und Turin – ausgegeben. Auf der Welle des Enthusiasmus über Berlusconis Triumph schien dieses Ziel zum Greifen nah. Und schon im ersten Wahlgang erreichten die Rechtskandidaten diesmal überraschend gute Ergebnisse. Und dies, obwohl in Rom und Neapel zwei politische Nobodys antraten, die bisher nur als Kofferträger Berlusconis aufgefallen waren. Während die Linke in Rom Walter Veltroni ins Rennen schickte – der in der Regierung Prodi als Kulturminister gewirkt hatte und zuletzt Parteivorsitzender der Linksdemokraten war –, nominierte die Rechte Antonio Tajani. Der blasse Journalist und Ex-Pressesprecher Berlusconis war im ersten Wahlgang auf überraschende 45 Prozent gekommen und hatte eine absolute Mehrheit Veltronis verhindert. Das gleiche Resultat war in Neapel dem Nobody Antonio Martusciello – er diente bis vor wenigen Jahren als Angestellter in einer Berlusconi-Firma – gegen die frühere Innenministerin Jervolino gelungen.

Doch die Hoffnung der Rechten, die demoralisierte linke Wählerschaft bleibe zu Hause, erfüllte sich nicht. Zwar sank die Wahlbeteiligung auf 70 Prozent, doch in den drei Metropolen hatten die Linkskandidaten komfortable Mehrheiten von 52 bis 53 Prozent.

Ein Denkzettel für Berlusconi ist das nicht: Rom, Turin und Neapel haben schon am 13. Mai mehrheitlich für Mitte-links-Abgeordnete gestimmt. Und doch hatte Walter Veltroni am Sonntagabend Tränen in den Augen: Dem Ölbaum-Bündnis ist immerhin der Beweis gelungen, dass es auch nach der nationalen Niederlage die Anhängerschaft zu mobilisieren weiß.

Zugleich geben die linken Rathaussiege indirekt Aufschluss über die Gründe der nationalen Niederlage. Anders als bei den Parlamentswahlen gehörte in Rom und Neapel Rifondazione Comunista zur siegreichen Linkskoalition; und obwohl in Turin ein Pakt zwischen dem „Ölbaum“ und Rifondazione nicht zustande kam, riefen auch dort die Kommunisten im zweiten Wahlgang zur Unterstützung des Mitte-links-Kandidaten auf. In Francesco Rutellis Oppositionsbündnis dürfte sich die Einsicht durchsetzen, dass der Weg zum Sieg nur über einen erneuten Pakt mit den feindlichen Brüdern von der Kommunistischen Partei führt.

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